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Der Sternenkavalier

Titel: Der Sternenkavalier
Autoren: Gerhard Branstner
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angstschlotternd aneinander drängten.
    „Die Leute“, bemerkte Eto, indem er näher trat, „haben keinen Gruppierungssinn, sie kleben ja förmlich aneinander. In solch einem großen Raume muß man sich ganz anders gruppieren. Ich werde sogleich ein Muster . . .“
    „Die Leute haben Angst“, unterbrach As den Meister, „wir müssen ihnen erst die Angst nehmen, dann . . .“
    Diesmal wurde As unterbrochen, und zwar von einem hellen Gelächter, in das die Ketzer ausbrachen.
    Ob es nun das kuriose Bild war, das der berucksackte As im Verein mit seinem spindeldürren Meister abgab, oder dessen Absicht, die Ketzer in ein ästhetisches Muster zu bringen, oder einfach die Tatsache, statt der erwarteten Henker zwei harmlose Gestalten vor sich zu sehen, jedenfalls war Ursache genug, die auf die Spitze getriebene Gemütsverfassung des bedrohten Häufleins ins Gegenteil umkippen zu lassen. Das Gelächter erfüllte die ganze Kirche.
    „Auch die Akustik ist ausgezeichnet“, stellte Eto fest, „ich hätte nicht gedacht, daß eine Kirche für ein Gelächter so gut geeignet ist.“
    Da As sich davon überzeugt hatte, daß vorderhand nichts zu besorgen sei, setzte er den Rucksack ab, hockte sich darauf und besah sich die Ketzer im einzelnen. Es waren ihrer elf, und der am lautesten lachte, schien auch ihr Anführer zu sein, denn als er jetzt zu lachen aufhörte, hörten auch die anderen auf.
    „Du da“, fragte As den Anführer, „wie heißt du?“
    „Ich heiße Gotthelf“, sagte der Mann und trat einen Schritt näher. Er war von großer und kräftiger Gestalt, nur sah er etwas kränklich aus. „Und wer seid ihr?“
    As langte den angebissenen Apfel aus der Tasche, hieb die Zähne hinein und sagte kauend: „Wir kommen von der Geo und bringen da und dort ein bißchen Ästhetik in die Welt. Haben aber, wie’s scheint, wenig Glück damit.“
    „Die Geo“, fragte Gotthelf, „ist das eine Insel auf der anderen Seite des Planeten?“

    „I wo“, sagte As, „das ist ein Planet auf der anderen Seite der Milchstraße.“
    „In längst vergangenen und vergessenen Zeiten sollen ja öfter mal Menschen von anderen Sternen zu uns gekommen sein“, meinte Gotthelf, „in letzter Zeit aber seid ihr die einzigen.“
    „Jedenfalls sind wir zur rechten Zeit gekommen“, konstatierte As, „da können wir euch aus dem Dilemma heraushelfen, in das wir euch gebracht haben.“
    „Wie“, rief Gotthelf, „seid ihr etwa daran schuld, daß ein Teil unseres Himmels auf einmal ganz anders ist?“
    „Na ja“, meinte As verlegen, „ganz anders ist wohl ein bißchen übertrieben.“
    „Und der Stern? Was habt ihr mit dem verschwundenen Stern gemacht?“
    „Den haben wir auf die hohe Kante gelegt“, erklärte As, „vielleicht können wir irgendwo mal einen gebrauchen.“
    „Ihr müßt sofort alles wieder in die alte Ordnung bringen“, rief Gotthelf, „sonst sind wir des Todes!“
    „Ihr seid mir vielleicht komische Ketzer“, meinte As. „Ich dachte immer, Ketzer kämpfen ums Leben gern gegen die alte Ordnung. Aber schön, wie ihr wollt, nur müßt ihr das dem Großmeister sagen, ich bin nur sein Assistent.“
    Eto stand auf der Kanzel und blickte auf das Kirchengestühl hinab. Irgend etwas daran schien ihm nicht zu gefallen. Er hatte das Kinn in die Hand gestützt und dachte nach.
    „Wo ist der Automat?“ rief er jetzt.
    „Ich sitze drauf“, sagte As.
    Unterdessen hatte sich Gotthelf mit den anderen Ketzern verständigt, und alle miteinander umringten jetzt die Kanzel.
    „Großmeister“, rief Gotthelf, „ihr müßt sogleich alles wieder in die alte Ordnung bringen. Und tut ihr es nicht freiwillig, so gebrauchen wir Gewalt!“
    „Gewalt?“ Eto schüttelte mißbilligend den Kopf. „Gewalt ist unästhetisch. Denkt euch was anderes aus.“
    „Es geht um unser Leben“, erklärte Gotthelf.
    Eto stieg von der Kanzel herab, besah sich einen der Ketzer nach dem anderen und tippte Gotthelf mit dem Kavaliersstöckchen gegen die Brust.
    „Was soll ich wieder in die alte Ordnung bringen?“
    „Den Himmel“, sagte Gotthelf. „Die Altgläubigen behaupten, die Veränderung des Himmels bedeute Unheil, und die einzige Möglichkeit, es abzuwenden, sei die Tötung aller Ketzer.“
    „Und was sagt die Wissenschaft?“
    „Die Wissenschaft?“ fragte Gotthelf konsterniert.
    „Die Astronomen, Kosmologen und dergleichen“, erklärte Eto.
    „Die sind ebenso durcheinander wie der Himmel“, sagte Gotthelf, „von denen können wir
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