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Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)

Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Katrin Burseg
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hielten sie den Strapazen des Treibens stand, oder hatte man sie sich mit Wasser vollsaufen lassen, damit sie wohlgenährt aussahen? Konnte man sie zu einem guten Preis auf den Märkten im Süden weiterverkaufen? Und kam man mit allen Tieren dort an, oder begegnete man unterwegs einer Räuberbande oder, schlimmer noch, einer Meute hungriger Söldner, die sich noch immer im Land herumtrieben?
    Und dann das Leben auf den unbefestigten Straßen: im heißen, staubigen Sommer, im Winter, bei Nebel, Regen und Schnee ohne ein festes Dach über dem Kopf. Am Ende des langen Ochsenweges, der sich durch Jütland, Schleswig und Holstein bis zur Elbe zog, endete alles rund um die Roland-Statue auf dem Ochsenmarkt in Wedel vor den Toren Hamburgs. Viehhändler, Treiber und andere Marktleute ließen sich dort nieder, Stände, Buden, Zelte, so weit man sehen konnte. Und riesige Ochsenherden, deren Gebrüll wie dumpfes Glockenschlagen über der Stadt hing.
    Sophie verstand, dass die Händler den mageren Gewinn nicht auch noch mit dem König, dem Herzog und der Stadt teilen wollten. Wenn die Herrschaften kassiert hatten, blieb meistens gerade noch so viel, dass die Kosten des Treibens gedeckt waren. Und Zollfreiheit war allein das Privileg des Adels. Viele Händler versuchten deshalb, die Zollstation am alten Ochsenweg zu umgehen. Vielleicht gibt es einen neuen Schmuggelweg für die Ochsen?, dachte sich Sophie. Vielleicht hatten die Männer einen Umweg riskiert und waren in einem weiten Bogen um Schleswig herumgezogen?
    Sophies Augen wurden schwer und schwerer, bis sie sich nicht mehr gegen den Schlaf wehren konnte. Entspannt sackte ihr Körper zur Seite, das Mädchen zog die Beine an und rollte sich wie eine Katze auf dem Boden zusammen.

    Johanna lächelte wehmütig. Vorsichtig zog sie ihren Fuß unter dem schlafenden Mädchen hervor, dann löste sie das Kind von ihrer Brust. Die Kleine war ebenfalls eingeschlafen. Mit einem Seufzer gab sie die Brustwarze frei. Sanft wickelte Johanna den Säugling in ihr Schultertuch und legte ihn seiner großen Schwester in die Arme. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass die Ziege fest angebunden war, scheuchte sie die Hühner leise vor sich her auf die andere Seite des Hauses und hinunter zur Schlei. Ein wenig Ruhe und Schlaf, so meinte sie, war das Beste, was sie den beiden Kindern in diesem Moment schenken konnte.
    Die Mädchen lagen ihr am Herzen und Johanna spürte seit Tagen, dass sich Unheil über den verlassenen Seelen zusammenbraute. Als sie über die Schulter in den Garten zurückblickte, zuckte sie zusammen. Dort, wo sich die Köpfe der Kinder ins Gras drückten, flimmerte die Luft violett. Die Lichterscheinung verbreiterte sich, stieg wie ein Kegel auf. Johanna schloss die Augen und versuchte, die Vision zu deuten. Dann seufzte sie auf, denn sie wusste: Gegen die Macht des Schicksals war kein Kraut gewachsen.

VIER
    Die Ritter, die am Nachmittag auf Gut Knoop westlich von Kiel zusammentrafen, waren unbemerkt durchs Land geritten. Lautstark verlangten sie nach einem Krug Bier, um den Staub der Straße die Kehle hinunterzuspülen. Die Männer waren in Sorge, gereizte Worte und finstere Blicke durchquerten den Raum. Während Pferde und Kutschen auf dem Vorplatz im Schatten der Eichen warteten, stritten die Ritter in der Halle der alten Wasserburg um die Zukunft des Landes.
    »Ruhe, Männer!«, donnerte Christian Rantzau, der sich als Wortführer des Adels verstand. Er hatte die Herren auf seinem Gut zusammengerufen und versuchte, die Versammlung zu eröffnen. Doch die Männer reagierten nicht. Sie standen mit roten Köpfen und geballten Fäusten in Gruppen zusammen und diskutierten.
    »Verdammt …« Wütend sprang der junge Rantzau auf einen Tisch und ließ die Peitsche knallen.
    Das machte Eindruck. Nach und nach verstummten die Männer und blickten den Ritter erwartungsvoll an.
    Groß und sehnig, geschmeidig wie ein Jagdhund, mit einem dichten, hellen Schopf, der das entschlossene Gesicht rahmte, war Christian Rantzau eine auffällige Erscheinung. Lediglich die glitzernden Raubtieraugen und die etwas schiefe Nase – das Andenken an eine jugendliche Rauferei – standen in Kontrast zu einem Profil, das in seiner Ausgewogenheit an eine antike Statue erinnerte. Mit seinen sechsundzwanzig Jahren galt Rantzau zudem als hitzköpfig und aufbrausend, doch die Macht seiner einflussreichen Familie verlieh ihm in den Herzogtümern Autorität und den Respekt der Männer.
    »Was soll das hier
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