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Der Stern des Untergangs

Titel: Der Stern des Untergangs
Autoren: David C. Smith & Richard L. Tierney
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Eindringlinge nicht zu hören, oder wenn er es tat, kümmerte er sich nicht um ihre Worte. Auf dem Altar sitzend, blickte er sie an, als wären sie lange erwartete Anbeter, die endlich zu ihm gefunden hatten.
    »Ich bin frei!« rief er und lachte schrill. »Frei!« Plötzlich verzog er wütend das Gesicht und brüllte: »Ihr könnt mich nicht töten! Ich bin frei! Ich kann nicht vernichtet werden!
    Ich herrsche über alle Ewigkeit! Ungeziefer, Geister – hebt euch hinweg!«
    Er machte eine gebieterische Handbewegung. Sonja befürchtete schon eine Zauberei, aber nicht einmal ein Windhauch erhob sich durch seine Gebärde. Doch die Menschen auf dem Boden rund um den Altar, die untoten Opfer mit der glänzenden durchsichtigen Haut, stöhnten grauenvoll.
    Sonja schauderte. Ja, Thotas war wahnsinnig, und er war abscheulich verwahrlost. Sein stinkendes Gewand schien er seit Jahren nicht mehr gewechselt zu haben. Sein geteilter Bart war fettig und verfilzt; seine löchrigen Zähne bedeckte eine gelbliche Schicht; und von seiner Haut ging ein ungesundes Leuchten aus. Verkrustetes Blut klebte an seinen Fingern, um die Nase und unter den Augen.
    »Frei!« kicherte er und drehte den dürren Kopf einmal nach dieser, dann der anderen Seite. »Frei, frei, frei – für alle Ewigkeit!«
    Der Priester neben Sonja wandte sich ihr zu. »Es bleibt uns nur noch wenig Zeit«, sagte er. »Gebt mir Oduracs Asche!«
    Völlig benommen von dem Grauen vor ihr, nahm sie den Beutel vom Gürtel und reichte ihn wortlos dem Blaugewandeten.
    Er öffnete ihn, blickte hinein, murmelte ein Gebet oder eine Beschwörung und reichte ihn an den nächsten der Priester weiter, die sich im Kreis um den Altar aufgestellt hatten.
    So wanderte der Beutel von einem zum andern, jeder nickte und betete ebenfalls. Als der Beutel die Runde gemacht hatte, begann der Führer der Priester mit einem lauten Gebet, in das alle einstimmten, und ging langsam um den Steinaltar und die durchsichtigen Leiber herum, dabei streute er sparsam Asche aus.
    Thotas brüllte und wütete, als er sah, was vorging, doch schien er zu schwach oder krank zu sein, um sich von seinem Altarthron zu erheben. Die anderen Priester traten auf den Altar zu und blieben knapp außerhalb der Aschespur stehen. Als der Aschekreis geschlossen war, fing er zu glühen an. Thotas heulte grauenerregend, klammerte sich wie flehend an seinen. Eisenobelisken und brabbelte Unverständliches.
    Erstaunt und wie gelähmt sah Sonja zu, wie ein Netz aus Zauberkraft gewoben wurde. Thotas, der durch die Macht von Oduracs Asche, vereint mit der verzweifelten Entschlossenheit der rebellierenden Priester, gefangen gehalten wurde, schien nichts anderes tun zu können, als zu schreien, zu kreischen und vor Schmerzen zu heulen, als er starb.
    Und er starb langsam und auf grässliche Weise.
    Seine glühende Haut bildete Geschwüre, die schließlich barsten und aus denen fahles Blut schoss. Vor Sonjas entsetztem Blick lösten sich seine Züge auf.
    »Ich bin frei! Frei!« schrillte er. »Meister der Ewigkeit!« Übelriechender Rauch quoll aus seinem Mund. Seine Stimme klang nicht länger menschlich. Das Gemurmel der Zauberpriester, das immer lauter wurde, begann sein Gebrüll zu übertönen, während Thotas Stimme an Kraft verlor, je weiter seine menschliche Gestalt schwand.
    »Frei!« Es war nur noch ein heiseres Wispern.
    Schließlich blieb Thotas eine abscheuliche Lache, die über den Altarrand sickerte und auf den Boden tropfte. Die gequälten Leiber ringsum erschauderten, rollten die blicklosen Augen und starben, dankbar über ihre Erlösung.
    Die Söldner, die im Vorraum und an der Tür gestanden hatten, wichen furchterfüllt zurück. Einige hatten gesehen, was geschehen war, die anderen wollten es gar nicht. Hier war kein Gold zu holen, und Thotas war tot. Die Aufgabe war auf höllische Weise durch Sonja und ihren greisen Zauberer erfüllt. Die grässlichen Schreie verrieten ihnen mehr als genug. Es war besser, von hier zu fliehen und anderswo nach Beute zu suchen …
    Ban-Itos wandte sich an Sonja und flüsterte angespannt: »Sehen wir zu, dass wir wegkommen …«
    Sie starrte wie gebannt auf den eisernen Obelisken. »Ban-Itos, was ist in …«
    »Nein, nein, Sonja! Ihr dürft dieses Geheimnis nicht erfahren! Laufen wir, ehe die gesamte Zikkurat …«
    »Was ist in dem Obelisken, Ban-Itos? Ist es …?«
    »Sonja!« Er fasste sie heftig am Arm, um ihre Aufmerksamkeit auf sich und ihren Blick in seine Augen zu lenken.
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