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Der Spitzenkandidat - Roman

Der Spitzenkandidat - Roman

Titel: Der Spitzenkandidat - Roman
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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frei. Auf dem Putting Green neben der Auffahrt lochten Männer Bälle ein. Der von hohen Laubbäumen umsäumte Parkplatz war gut gefüllt.
    Sie entdeckte Schreiber am Ende der Driving Range, wo er Bälle schlug. Er war ganz bei der Sache, sein Gesicht hoch konzentriert. Kein hässlicher Mann, aber kein Vergleich mit Uwe Stein. Eher das Gegenteil: Gedrungene Gestalt, dunkle, fast schwarze Augen, eine sehr breite Nase. Verena erkannte, dass seine Bälle einen starken Linksdrall besaßen. Keine gute Voraussetzung auf einem Waldplatz.
    Selbst als sie dicht bei ihm stand, beachtete er sie nicht.
    „Herr Schreiber, ich muss Sie sprechen. Ich bin Verena Hauser, LKA Niedersachsen.“
    Jetzt hatte sie seine Aufmerksamkeit, aber überrascht wirkte er nicht. Da war etwas in seinem Blick, das sie stutzig machte.
    „Es geht um den Mordfall Stein.“
    Der Mann, der vor Schreiber stand und ebenfalls angestrengt Bälle schlug, riss den Kopf hoch und starrte seinen Golfkameraden entgeistert an.
    Ohne ein Wort zu sagen, legte Schreiber seinen Driver aus der Hand, zeigte auf eine schattige Bank neben dem Geräteschuppen und ging voraus.
    Als sie saßen, wandte er Verena sein Gesicht zu. Die Lippen schmal, die Augen leer.
    „Muss das jetzt sein? In einer Viertelstunde habe ich Abschlagszeit. Wir spielen vorgabewirksam.“
    Sie schaute auf seine Schuhe. FootJoy, Größe 42 konnte hinkommen.
    „Es muss sein, Herr Schreiber. Wir haben in der Wohnung Ihrer Ex-Frau Briefe von Ihnen gefunden. Sie haben Ihre Frau beschworen, zu Ihnen zurückzukommen. Später haben Sie ihr und Herrn Stein damit gedroht, es ihnen heimzuzahlen. Weiter haben Sie angekündigt, der Beziehung ein Ende zu setzen. Was genau haben Sie damit gemeint?“
    Der Mann schwieg.
    „Wir können das Gespräch auch bei mir im Büro führen. In diesem Fall werde ich ein Streifenfahrzeug anfordern, das Sie dorthin bringt.“
    Noch immer keine Reaktion. Verena dachte: Das wird ein schwerer Brocken.
    „Herr Schreiber, Sie müssen reden. Die Briefe liegen uns vor, wir haben sie in der Wohnung Ihrer Ex-Frau gefunden. Dass sie Selbstmord begangen hat, werden Sie inzwischen erfahren haben.“
    Er nickte stumm. In seinen Augen schimmerte es verdächtig. Verena griff nach ihrem Handy, um einen Wagen anzufordern, als er plötzlich zu reden begann: „Dieses Schwein hat mein Leben ruiniert, meine Ehe zerstört, meiner Tochter die Mutter genommen.“
    Das hatte Verena anders gehört. Hatte er nicht eine Verfügung erwirkt, laut der Sonja ihre Tochter nicht mehr sehen durfte, weil sie wegen ihres Alkoholkonsums nicht in der Lage sei, das Kind zu beaufsichtigen?
    „Ich habe sie angefleht, bei mir zu bleiben, auch Anna zuliebe. Meinetwegen nur Anna zuliebe. Sie war besessen von Uwe, sie hat uns verlassen, ohne zu zögern. Würden Sie das einfach so hinnehmen? Gut möglich, dass ich ihr Briefe geschrieben habe. Das ist lange her.“
    „So lange nun auch wieder nicht. Der letzte ist fünf Monate alt. Hat Ihre Frau auf die Briefe reagiert? Sie angerufen und zur Rede gestellt?“
    Schreiber blinzelte, dann fuhr er mit stockender Stimme fort.
    „Hat sie nicht.“ Er wischte sich mit einem Taschentuch übers Gesicht. „Zwischen uns, das war etwas ganz Besonderes. Freunde, Bekannte, Partys, Vereine, den ganzen Schnickschnack haben wir nicht gebraucht. Wir hatten uns, das genügte uns. Meine Mutter, Sonja und später noch Anna. Mehr wollten wir nicht vom Leben.“
    Du nicht, sie offenbar wohl. Das klingt verdächtig nach Spießertum und Langeweile, dachte Verena.
    „Mensch Egon, was ist denn los? In fünf Minuten haben wir Abschlagszeit auf Bahn 10. Setz dich in Bewegung. Flirten kannst du auch hinterher“, sprach ein älterer Herr ihn an.
    „Heute nicht“, entgegnete Schreiber, „geht ohne mich los.“
    Der Mann musterte das Paar auf der Bank und ging kopfschüttelnd davon.
    „Ich wollte, dass Sonja nach der Geburt aufhört zu arbeiten. Hätte ich mich durchgesetzt, wäre alles nicht passiert. Sie hat diesen Stein über die Arbeit kennengelernt. Dabei hatte sie es nicht nötig, in das Anwaltsbüro zu gehen, ich habe genug für uns beide verdient.“
    Je länger Verena ihm zuhörte, umso besser konnte sie Sonja verstehen: der klassische Ausbruch aus einer eintönigen Beziehung an der Seite eines Langweilers.
    „Haben Sie auch an Stein geschrieben?“
    „Nein, niemals. Was hätte das bringen sollen? Solche Leute lesen keine Briefe, so eingenommen wie die von sich sind. Man hat ja
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