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Der Spitzenkandidat - Roman

Der Spitzenkandidat - Roman

Titel: Der Spitzenkandidat - Roman
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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gesehen, wie er am Ende mit Sonja umgesprungen ist.“
    „Aber Sie haben ihn nach einer Wahlveranstaltung angesprochen.“
    „Der Kerl war hochnäsig. Er hat mich wie einen dummen Jungen abserviert.“
    „Trotzdem war er bereit, sich mit Ihnen gegen 22 Uhr am Wolfsgraben im Stadtwald zu treffen.“
    Auf Schreibers Gesicht erschien ein gequältes Lächeln.
    „Weil ich ihm gedroht habe, in die Öffentlichkeit zu gehen und den Menschen klarzumachen, was für ein mieses Schwein er war. Dass er eine Familie zerstört und seine Geliebte in die Sucht getrieben hat.“
    „Das lassen wir mal dahingestellt. Alkoholerkrankungen haben fast immer mehrere Gründe, nicht nur einen. Aber: Warum hat er ausgerechnet den Wolfsgraben als Treffpunkt vorgeschlagen?“
    „Hat er nicht. Er wollte, dass wir uns an der Ecke Eilenriede und Spinozastraße treffen. Ich habe keinen blassen Schimmer, weshalb dort. Vielleicht hatte er einen Anschlusstermin, vielleicht eine neue Geliebte, die in der Nähe wohnte. Wer weiß. In der Öffentlichkeit wollte er sich ganz bestimmt nicht mit mir sehen lassen. Und es war niemand dort. Wir sind dann einige Schritte gegangen. Ich habe das vorgeschlagen, ich wollte ihm eine Lektion erteilen, ihm nur einen Schlag verpassen. Es sollte wehtun, mehr nicht. Mir hätte es gefallen, wenn er mitten im Wahlkampf ausgefallen wäre. Das war ja das Einzige, womit du ihn treffen konntest: wenn du ihm seine geliebte Politik wegnimmst.“
    Die Driving Range hatte sich geleert, außer Vogelgezwitscher war nichts mehr zu hören. Der Himmel war strahlend blau, die tief stehende Sonne tauchte die Blätter in rote, gelbe und kupferne Farben. Eine heile Welt und neben ihr ein Mörder. Und dann auch noch einer, der mit Vorsatz gehandelt hatte.
    „Ich habe mein Eisen 5 mitgenommen, unter meinem Mantel verborgen. Es fiel gar nicht auf. Ich habe versucht, mit ihm zu reden, ich habe es wirklich versucht. Aber es war nichts zu machen. Er war nur gekommen, um sich über mich lustig zu machen. Höhnische Bemerkungen hat er gemacht. Der Mann konnte sehr verletzend sein, auch gegen Sonja, besonders gegen Sonja. Er wollte zur Spinozastraße zurück und ich habe ihn von hinten geschlagen. Er fiel hin, er blutete, ich war in Panik. Ich habe noch einmal zugeschlagen. Dann nicht mehr. Ich habe das nicht meinetwegen getan. Nur wegen Sonja.“
    „Haben Sie zufällig Fleißige Lieschen in Ihrem Garten?“
    Ein überraschter Blick traf sie.
    „Ja, ich bin Hobbygärtner.“
    Dann fing er an zu weinen, lautlos. Verena bestellte einen Streifenwagen.
    Sie wurde erwartet, Jürgen Ritter stand vor ihrer Wohnungstür, er schenkte ihr ein strahlendes Lächeln und gratulierte zur Lösung des Mordfalles Stein. Beiden war klar, dass er mehr wollte. Im Wohnzimmer platzte er mit der Neuigkeit heraus. Der Innenminister habe ihn angerufen, er solle nach der Wahl ins Ministerium wechseln und die Leitung der Polizeiabteilung übernehmen.
    „Das ändert alles zwischen uns“, sagte er. „Wir müssen unsere Beziehung nicht mehr verheimlichen.“
    „Welche Beziehung? Die, die du erst vor wenigen Tagen beendet hast?“
    Sie erschrak bei jedem Wort.
    „Mein Gott, Verena, das habe ich doch auch zu deinem Schutz gemacht. Du weißt doch, was sonst los gewesen wäre. Mit meinen Gefühlen zu dir hatte das absolut nichts zu tun. Ich mag dich, du weißt das.“
    „Das hast du aber gut kaschiert neulich.“
    „Hätte ich gewusst, dass ich ins Innenministerium wechsle, hätte das Gespräch nicht stattgefunden.“
    Sie dachte: Vermutlich hat er recht. Aber so leicht will ich es ihm nicht machen. Er soll leiden, so wie ich gelitten habe.
    „Ich möchte allein sein“, sagte sie. „Ich bin todmüde und möchte ins Bett.“ Er starrte sie an.
    „Allein“, fügte sie hinzu.
    Auf seinem Gesicht machte sich ein enttäuschter Ausdruck breit. Dann zuckte er die Schultern, wandte sich ab.
    „Vielleicht nächste Woche“, sagte sie und noch während sie die Wohnungstür hinter ihm schloss, bedauerte sie ihre Worte. Sie sehnte sich danach, von ihm berührt zu werden, jetzt sofort, nicht erst in einer Woche.

57
    Hübners Operation war komplikationslos verlaufen. Der Oberarzt gab sich optimistisch. Drei Bypässe und ein Herzschrittmacher würden ihn zu einem neuen Menschen machen, mit der Japserei und der Atemnot sei es vorbei. Drei Tage musste er noch in der Medizinischen Hochschule bleiben, dann ging es in die Reha nach Bad Bevensen.
    Hübners Zimmer war voller Blumen.
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