Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Spieler

Der Spieler

Titel: Der Spieler
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
Vom Netzwerk:
aufgebracht, fast wütend aus. »Sie müssen wissen, daß ich rein gar nichts vergessen habe; ich habe nur vorübergehend dies alles aus meinem Kopf verbannt, alles, sogar Erinnerungen – solange ich meine Lebensumstände nicht radikal verbessert habe; dann … dann werden Sie sehen, dann werde ich von den Toten auferstehen!«
    »Sie werden hier noch zehn Jahre zu finden sein«, sagte er. »Ich möchte wetten, daß ich Sie an meine Worte erinnern werde, wenn ich noch lebe, hier, auf dieser Bank.«
    »Genug davon!« fiel ich ihm ungeduldig ins Wort, »und um Ihnen zu beweisen, daß ich keineswegs besonders vergeßlich bin, wenn es um die Vergangenheit geht, erlauben Sie mir die Frage: Wo befindet sich Miss Polina jetzt? Wenn schon nicht Sie mich freigekauft haben, so war es bestimmt Miss Polina. Seit jener Zeit habe ich von ihr gar nichts gehört.«
    »Nein, o nein! Ich denke nicht, daß Miss Polina Sie freigekauft hat. Sie befindet sich jetzt in der Schweiz, und Sie würden mir einen großen Gefallen tun, wenn Sie mich nicht weiter nach ihr fragen würden«, sagte er mit Nachdruck und sogar sichtlich verstimmt.
    »Das bedeutet, daß auch Sie von ihr ziemlich heftig verwundet wurden!« Ich konnte mir das Lachen einfach nicht verbeißen.
    »Miss Polina ist das beste Wesen von allen verehrungswürdigen Menschen, aber Sie würden mir, ich wiederhole, den größten Gefallen erweisen, wenn Sie nicht weiter nach Miss Polina fragen würden. Sie haben sie überhaupt nicht verstanden. Und ihren Namen aus Ihrem Munde empfinde ich als Kränkung meiner moralischen Empfindung.«
    »So ist es also! Übrigens haben Sie unrecht; wovon könnte ich denn mit Ihnen sprechen, wenn nicht davon, nicht wahr? Unsere gemeinsamen Erinnerungen bestehen ja nur daraus. Übrigens, machen Sie sich keine Sorgen, ich habe keinerlei Interesse für Ihre inneren, geheimen Angelegenheiten … Ich interessiere mich sozusagen nur für die äußeren Umstände von Miss Polina, einzig und allein für die Bedingungen, in denen sie heute lebt. Und das läßt sich in ein paar Worten sagen.«
    »Bitte sehr, aber nur, daß es mit diesen paar Worten sein Bewenden hat. Miss Polina war lange krank; sie ist auch heute noch krank; eine Zeitlang lebte sie mit meiner Mutter und meiner Schwester in Nordengland. Vor einem halben Jahr starb ihre Großtante – Sie erinnern sich an diese verrückte Frau –, sie starb und hinterließ ihr persönlich siebentausend Pfund Sterling. Jetzt reist Miss Polina mit der Familie meiner inzwischen verheirateten Schwester. Ihr kleiner Bruder und ihre Schwester sind gleichfalls durch das Testament der Großtante versorgt und lernen in einem Londoner Internat. Der General, ihr Stiefvater, ist vor einem Monat in Paris nach einem Schlaganfall verschieden. Mademoiselle Blanche hat ihn gut behandelt, aber rechtzeitig alles kassiert, was er von der Großtante geerbt hatte … So, das scheint alles zu sein.«
    »Und des Grieux? Reist er nicht ebenfalls in der Schweiz?«
    »Nein, des Grieux reist nicht in der Schweiz, und ich weiß nicht, wo des Grieux sich aufhält; außerdem möchte ich Sie ein für allemal vor ähnlichen Andeutungen und niederträchtigen Kombinationen warnen, andernfalls werden Sie es unbedingt mit mir zu tun haben.«
    »Wie? Ungeachtet unserer früheren freundschaftlichen Beziehungen?«
    »Ja, ungeachtet unserer früheren freundschaftlichen Beziehungen.«
    »Ich bitte tausendmal um Entschuldigung, Mister Astley. Aber gestatten Sie trotzdem: Es war nichts Kränkendes oder Niederträchtiges; ich werfe Miss Polina doch nichts vor. Ein Franzose und eine russische junge Dame sind – im allgemeinen – das ist eine Kombination, Mister Astley, die zu beurteilen oder auch nur zu begreifen wir beide außerstande sind.«
    »Wenn Sie den Namen des Grieux gar nicht in einem Atemzug mit jenem anderen Namen nennen wollten, würde ich Sie bitten, mir zu erklären, was Sie unter der Kombination ›ein Franzose und eine russische junge Dame‹ verstehen. Was ist das für eine Kombination? Warum muß es ein Franzose und unbedingt eine russische junge Dame sein?«
    »Sehen Sie – Ihr Interesse ist schon erwacht. Aber das ist eine lange Geschichte, Mister Astley. Eigentlich müßte man über gewisse Vorkenntnisse verfügen. Übrigens ist es ja eine sehr wichtige Frage – wie lächerlich sie auch auf den ersten Blick scheinen mag. Ein Franzose, Mister Astley – ist eine perfekte schöne Form. Sie als Brite brauchen sich damit nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher