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Der Sommersohn: Roman

Der Sommersohn: Roman

Titel: Der Sommersohn: Roman
Autoren: Craig Lancaster
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langsamen Zügen trank. Schließlich stürzte er den Rest hinunter.
    »Hast du dich jetzt davon erholt?«, fragte Brad. »Möchtest du noch eins und es diesmal etwas langsamer trinken?«
    Das Bier, das so schnell runterging, haute mich jetzt völlig um. Aber ich wollte mir keine Blöße geben.
    »Was, wenn mein Dad das rausfindet?«
    Brad stand auf.
    »Er wird es nicht erfahren, wenn keiner von uns beiden etwas sagt. Ich sag jedenfalls nichts.«
    »Ich auch nicht.«
    »Ehrenwort?«
    Zur Bekräftigung verhakten wir unsere Finger und drehten sie um.
    »Das nächste Bier ist schon unterwegs«, sagte Brad.
    Mein Gesicht verzog sich zu einem breiten Grinsen. Ich war froh, dass ich nicht nach Cedar City gefahren war. Milford war perfekt, zu meiner Freude und Überraschung.

BILLINGS | 24. SEPTEMBER 2007
    Dad stand mit mir im Ticketbereich des Flughafens von Billings. Ich dachte daran, als ich ein Junge war und Dad mit mir den ganzen Weg bis zum Gate ging und neben mir saß, während ich darauf wartete, an Bord zu gehen. Aber ich war kein Kind mehr, und seit dem 11. September 2001 war eine so harmlose Sache wie das Abschiednehmen von seinen Lieben am Gate nicht mehr möglich. Die Schlange hatte sich fast aufgelöst, und dann sah mich der Sicherheitsbeamte auffordernd an, während ich versuchte, meine Beine zu bewegen.
    »Ich komme in ein paar Wochen wieder«, sagte ich. »Dies ist kein Lebewohl.«
    »Ich weiß.«
    »Wir bringen die Kinder mit. Sie müssen ihren Grandpa Jim kennenlernen.«
    »Ich weiß.«
    Die Gefühle hatten mich zwei Tage lang aufgewühlt und kamen immer wieder hoch. Und jetzt passierte es wieder, genau dort.
    »Stirb mir bloß nicht weg«, sagte ich mit brüchiger Stimme.
    »Mitch?«
    »Ja?«
    »Steig in das verdammte Flugzeug.« Dad grinste mich an. Ich ging zu den Durchleuchtungsgeräten und kehrte auf halbem Weg wieder um. Dieses Mal drückte mich Dad fest an sich.
    Auf dem Flug schlug mir das Herz immer wieder bis zum Hals, voller Erwartung. Ich war weniger als eine Woche fort gewesen, und doch erinnerte mich das Kribbeln in meinem Körper an meine erste Europareise und das Gefühl des Staunens, das über mich kam, als ich mit eigenen Augen und durch die meiner Braut Sehens würdigkeiten erblickte, die nur in der Fantasie und auf Ansichtskarten existiert hatten. Dank einer Woche in Billings – oder fairerweise dank der Jahrzehnte, die Dad und ich in einer Woche in Billings durchquert hatten – war San José zu einer Terra Nova, meinem Gelobten Land, geworden. Neuanfänge warteten auf mich, in meiner Arbeit und zu Hause. Das versprach ich mir hoch und heilig. Nach mehr als elf Jahren Ehe würden Cindy und ich neu anfangen. Ich sehnte mich nur nach ihrem lieben Gesicht.
    Als das Flugzeug über den Santa Cruz Mountains und abdrehte, schlug mein Herz hart gegen meinen Brustkorb. Unten konnte ich unser Viertel sehen. Tennisplätze und Swimmingpools und die Sportarena zogen unter mir vorüber, und als der Jet immer tiefer schwebte, sah ich rechts die Skyline von San José, fast zum Greifen nah. Ich war so gut wie zu Hause.
    Ich kam am hinteren Ende des Terminals von der Passagierbrücke herunter, so weit weg von der Gepäckrückgabe wie nur irgend möglich. Zwei andere Flugzeuge leerten sich zur selben Zeit, und ich schwamm in einem Menschenmeer durch die Flughafenhalle. Wo alles zusammenströmte, löste sich unsere Masse wieder auf. Einige gingen direkt weiter zu einem anderen Gate, einige gingen Kaffee trinken, und meine Gruppe strebte dem Ausgang zu. Ich suchte die Reihe der erwartungsvollen Gesichter ab, die ihre Freunde, ihre Lieben und Geschäftspartner erwarteten. Ich sah sie nicht. Ich suchte erst links, dann rechts, erforschte jedes Gesicht.
    Und dann trat sie vor, an den Händen die kleinen Händchen unserer Zwillinge.
    »Da ist euer Daddy«, sagte sie, und mein sommersprossiger Nachwuchs rannte mit wedelnden Armen auf mich zu. Ich hob Avery und Adia hoch und küsste sie, bis sie mich baten, damit aufzuhören.
    »Hallo, Fremder«, sagte Cindy und stellte sich neben mich.
    Ich setzte die Kinder ab, nahm die Wangen meiner Frau in meine Hände, und ich küsste sie, als gäbe es kein Morgen.
    Während wir darauf warteten, dass mein Gepäck auf dem Band erschien, zog ich die Notizbücher – fünf insgesamt, von vorn bis hinten von mir vollgekritzelt – aus meinem Handgepäck heraus und gab sie Cindy.
    »Die sind für dich«, sagte ich.
    »Meinst du etwa ...«
    »Ja. Da steht alles
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