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Der Sommer des Kometen

Der Sommer des Kometen

Titel: Der Sommer des Kometen
Autoren: Petra Oelker
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Singspiel, das nicht zu lang ausfiel, obwohl darin auch sehr schön getanzt wurde. Alle klatschten großen Beifall, allerdings waren viele später der Meinung, dass Claes Herrmanns doch ein wenig zu weit ging, als er die Fahrenden nach der Aufführung nicht in die Küche oder gleich zurück zu ihren Wagen schickte, sondern zu den anderen Gästen führte und sie auch als solche behandelte. Dass er selbst einen Weddemeister eingeladen hatte, bereitete nicht weniger Unbehagen. Madame Bocholt jedoch, das hatte Struensee genau gesehen, als er und Gerson sich von Elsbeth ihren neuen Kräutergarten zeigen ließen, hatte sich erstaunlich schnell mit der Anwesenheit dieser seltsamen Menschen arrangiert. Sie saß auf einer Bank hinter der Ligusterhecke und ließ sich von Prinzipal Jean, der in ganz besonders prächtigen Samt gekleidet war, hingebungsvoll die Vorzüge des Hexameters erläutern. Aus irgendeinem Struensee nicht erkennbaren Grund musste er dazu ihre beiden Hände halten, was sie aber ganz offensichtlich ebenso entzückte wie Jeans Vortrag.
    Rosina hatte zu ihrem Ärger nicht verhindern können, dass ihre Rolle als Mylau und ihre Verdienste bei der Mörderjagd und der Rettung Claes Herrmanns’ bekannt wurden. Sie war nun eine Berühmtheit in der Stadt und würde in diesen Mauern wohl nie wieder als junger Mann herumlaufen können, ohne dass man sie erkannte, welche Haarfarbe sie auch wählen würde. Aber die Theaterbude in Altona war, egal, welches Stück gegeben wurde, seither bei jeder Aufführung ausverkauft. Muto trat nun auch auf, Helena hatte entdeckt, dass das Spiel auf der Bühne ihn über alles freute, und seither fügte Rosina kleine Szenen für ein stummes Kind in die Stücke ein – als Engel oder Kobold –, die beim Publikum sehr beliebt waren. Struensee hatte Muto gründlich untersucht und festgestellt, dass sein Körper gesund war. Der Grund, warum er nicht sprechen konnte, musste an einem Leiden seiner Seele liegen. Struensee hatte von solchen Fällen gehört. Auch, dass die Stimme eines Tages plötzlich zurückkehren konnte.
    Den Höhepunkt des Abends, das war das Einzige, worin sich alle einig waren, bestritt jedoch Rudolf, der stillste unter den Komödianten. Das Feuerwerk, das er mit Gesines Hilfe an den Himmel hoch über der Alster zauberte, war vielleicht nicht ganz so prächtig wie jenes, das der Senat im vergangenen Jahr zu Ehren des neuen Kaisers entzünden ließ, aber es begeisterte nicht nur Herrmanns’ zahlreiche Gäste, sondern auch alle, die sich auf den Wällen drängten oder ihre Boote auf den See hinausgerudert hatten, um dem feurigen Spektakel zuzusehen.
    Christian Herrmanns war ganz gegen Struensees Erwartung nicht vom Liebeskummer niedergedrückt, obwohl er allen Grund dazu gehabt hätte. Denn kaum war sein Vater halbwegs genesen, hatte Christian ihm mitgeteilt, dass er sich bei Madame Stedemühlen nicht mehr für seine Verbindung mit Lucia einsetzen müsse. Die sei ihm nicht ernsthaft genug und auch zu wankelmütig. Einige Wochen habe er sie nicht gesehen, und schon habe Cornelius van Smid ihr Herz gewonnen, der doch wirklich als langweiliger Mensch bekannt sei.
    Diese Wendung schien Christian aber nicht vernichtet zu haben, denn an jenem Abend im Garten sah Struensee, wie er Camilla, Senator van Wittens jüngste Tochter, verfolgte, bis sie ihm errötend erlaubte, ihr ein Glas Bowle zu bringen.
    Madame Stedemühlen und ihre Tochter erschienen an diesem Abend nicht, was jedoch niemanden wunderte. Nicht nur, weil sie gerade erst Witwe geworden war, sondern weil die nach so vielen Jahren ruchbar gewordene Schande ihres Gatten auch die ihre war und sie aus der guten Gesellschaft ausschloss, bis man mit Anstand vorgeben konnte, alles vergessen zu haben.
    Allerdings trug Gunda die Schmach mit Würde und Gelassenheit. Kürzlich hatte Struensee sie in der Halle der Hamburger Börse getroffen, wo sie bei der Versteigerung einer äußerst kostbaren Sammlung optischer Geräte das wertvollste Teleskop, einige andere, kleinere Apparate und ein Buch über die neuesten Erkenntnisse von der Messung der Längengrade auf See ersteigerte. Es sei doch sehr angenehm, erklärte sie, als er sie begrüßte, nun, da niemand außer ihm ihr noch die Hand gebe, müsse sie nicht mehr auf die Sitten achten. Sie könne sogar wie ein Mann bei einer Versteigerung mithalten, und das sei endlich einmal etwas Amüsantes in diesen dunklen Wochen. Im Übrigen danke sie ihm für seine Dienste und hoffe, in
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