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Der Sommer der toten Puppen

Der Sommer der toten Puppen

Titel: Der Sommer der toten Puppen
Autoren: Antonio Hill
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sie alle Kartenleger, Wunderheiler und Gurus von Barcelona einsperren ... Aber ich habe ihm klargemacht«, beeilte er sich hinzuzufügen, »dass die Polizei hartnäckig sein kann, und da er sich schon wieder erholt hätte von dem Überfall«, und bei dem Wort warf er einen raschen, nervösen Blick zu Inspektor Salgado, der ungerührt dasaß, »wäre es vielleicht besser, die Sache zu vergessen ...«
    Der Kommissar stöhnte.
    »Und, haben Sie ihn überzeugt?«
    »Ich denke, schon ... Obwohl«, korrigierte er sich, »gesagt hat er nur, dass er darüber nachdenkt. Dass er mich am nächsten Tag anruft.«
    »Und das hat er nicht.«
    »Nein. Ich habe gestern in seiner Praxis angerufen, mehrmals, aber niemand hat abgenommen. Es hat mich nicht gewundert, der Doktor nimmt keine Anrufe entgegen, wenn er arbeitet.«
    »Und deshalb sind Sie heute Morgen gleich zu ihm gegangen?«
    »Ja. Ich hatte den Termin mit Ihnen, und na ja ...«, er zögerte, »ich habe auch nicht gerade viel zu tun in diesen Tagen.«
    Und in den nächsten auch nicht, dachten Savall und Salgado gleichzeitig.
    »Und Sie sind hingegangen. Gegen neun.«
    Fernández nickte. Er schluckte. Bleich wäre ein beschönigendes Wort gewesen, um die Farbe seines Gesichts zu beschreiben.
    »Haben Sie einen Schluck Wasser?«
    Der Kommissar seufzte.
    »Hier drinnen nicht. Aber wir sind bald fertig. Fahren Sie fort, Herr Fernández, bitte.«
    »Es war noch keine neun Uhr. Der Bus ist gleich gekommen und ...«
    »Zur Sache, bitte!«
    »Ja, klar. Ich wollte nur sagen, dass es noch ein bisschen früh war, aber ich bin trotzdem hochgegangen, und als ich an der Tür klingeln wollte, habe ich gesehen, dass sie offen war.« Er hielt inne. »Na ja, ich habe gedacht, ich könnte hineingehen, vielleicht war ihm ja was passiert.« Er musste erneut schlucken, und als er sich den Schweiß abwischte, löste sich das Papiertaschentuch unter seinen Händen auf. »Es roch ... es roch seltsam. Verfault. Ich habe nach ihm gerufen und bin zu seinem Sprechzimmer gegangen, am Ende des Flurs ... Die Tür stand auch ein Stück offen, und da ... habe ich sie aufgestoßen. Mein Gott!«
    Den Rest hatte er schon am Anfang erzählt, noch bevor Héctor kam, mit völlig verstörter Miene. Der Schweinekopf auf dem Tisch. Blut überall. Und keine Spur von dem Doktor.
    »Das hat uns gerade noch gefehlt«, grummelte der Kommissar, als der nervöse Anwalt das Zimmer verlassen hatte. »Die Presse wird wieder auf uns herumhacken wie die Geier.«
    Savall nahm den Hörer ab und tippte eine Durchwahl. Eine halbe Minute später kam die Unterinspektorin Andreu herein.
    Martina wusste nicht, was passiert war, aber die Miene ihres Chefs verhieß nichts Gutes. Nachdem sie Héctor zum Gruß zugezwinkert hatte, beschränkte sie sich aufs Zuhören. Die Neuigkeit, die Savall ihr mitteilte, mochte sie ebenso überrascht haben wie die beiden anderen, aber sie ließ sich nichts anmerken. Sie hörte nur aufmerksam zu, stellte ein paar Fragen und ging wieder, um die Anweisungen auszuführen. Héctor schaute ihr hinterher. Er zuckte fast zusammen, als er seinen Namen hörte.
    »Héctor. Hör mir gut zu, denn ich werde es nur einmal sagen. Ich habe für dich den Hals riskiert. Ich habe dich vor der Presse verteidigt und vor meinen Vorgesetzten. Ich habe alle möglichen Strippen gezogen, um die Sache zu begraben. Und ich hätte es fast geschafft, dass der Kerl die Anzeige zurückzieht. Aber wenn du noch einmal einen Fuß in diese Praxis setzt, wenn du dich irgendwie in die Ermittlungen einmischst, werde ich nichts mehr für dich tun können. Ist das klar?«
    Héctor schlug die Beine übereinander. Er wirkte hoch konzentriert.
    »Es ist mein Kopf, der unter der Guillotine liegt«, sagte er schließlich. »Meinst du nicht, ich habe das Recht zu entscheiden, wofür sie ihn mir abschneiden?«
    »Du hast Scheiße gebaut, und du weißt es. Jetzt hast du die Folgen zu tragen.«
    Das Gute war, dass Héctor es wusste, aber in dem Moment war es ihm egal. Die Schläge, die er dem Kerl verpasst hatte, schienen ihm gerechtfertigt. Es war, als wäre der ernsthafte Inspektor Salgado in der Zeit zurückgegangen in seine Jugend in einem Viertel von Buenos Aires, wo die Streitereien nach Schulschluss mit Gewalt geklärt wurden. Wo man mit aufgeplatzter Lippe nach Hause kam und versicherte, man habe einen Fußball ins Gesicht bekommen. Etwas Rebellisches saß ihm noch immer wie ein Stachel in der Brust; unreif für einen Polizisten, der gerade
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