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Der Sommer der Gaukler

Der Sommer der Gaukler

Titel: Der Sommer der Gaukler
Autoren: Robert Hueltner
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vor seinen Augen dieses wehrlose, engelhafte Wesen ermordet wurde.
    Schikaneders Magen krampfte sich zusammen, sein Herz klopfte bis an die Kehle. Ich will nicht sterben, blitzte es durch sein Gehirn. Noch nicht, nicht so.
    Aber was – Himmel hilf! – sollte er tun? Die Illusion abruptunterbrechen, lachend darauf hinweisen, dass alles nur Spiel sei? Es war zu spät dazu. Der junge Mann war nur noch wenige Schritte von ihm entfernt.
    In Schikaneders Ohren rauschte das Blut. Plötzlich durchströmte Kälte seine Adern. Er riss die Hände empor und holte tief Luft.
    »Mein geliebtes Volk der Baiern!«, brüllte er mit Stentorstimme, Speichel spuckend, so laut, wie er noch nie gebrüllt hatte, und für einen Moment hatte er tatsächlich das Gefühl, als hätten die Bergwände sein Echo zurückgeworfen. Der Angreifer hielt verdutzt inne. Augenblicklich herrschte Stille. Alles glotzte ihn an, als hätten seine weit ausgebreiteten Hände bannende Kräfte. Schikaneder pumpte wieder Luft in seine Lungen. »Die Tränen dieser reinen Jungfrau haben mein Herz berührt! Tief beschämt erkenne ich, wie sehr es schon von Bosheit vergiftet und zerfressen ist! Deshalb –« Was war los? Streikten seine Stimmbänder? Aus seiner Kehle röhrte es jetzt nur noch: »Deshalb schenke ich der Bernauerin ihr Leben und«, er holte tief Luft, »und scheide aus demselben!«
    Er sprang.
    Es war totenstill. Die Menge glotzte fassungslos auf den Steg. Dann explodierte ein frenetischer Jubel. Hüte flogen in die Luft, Jauchzer kreischten durch durch den tosenden Applaus. Der Kolber machte einen Luftsprung. »Vivat die Bernauerin!«, schrie er. »Vivat! Vivat!«, fielen die Zuschauer begeistert ein. Schon rasten die ersten auf den Steg, zogen die immer noch verdatterte Demoisell Bichler von den Knien, durchschnitten ihre Fessel und trugen sie auf den Schultern auf die Mitte des Spielplatzes.
    Vester brauchte einige Sekunden, bis er verstand. Ungläubig sah er, dass auch seine Männer von diesem Taumel mitgerissen wurden. Er raste zum Steg.
    »Haalt! Leut! Haalt!« Seine Stimme überschlug sich. »Es ist doch bloß Theater gewesen!«
    Die ersten wandten sich um. Vester streckte den Arm zu Ratold und Paccoli aus.»Da drüben –!« Er hustete würgend.
    Paccoli sprang auf eine Bank.
    »Auf ins Wirtshaus, Leute! Heut ist ein Festtag! Alles ist geladen! Kein Anschauen mehr, ob dick oder dünn, ob arm oder reich! – Auf!«
    Begeisterter Beifall brandete auf. Die Menge, angeführt von der wie eine Heldin auf den Schultern getragenen Bichlerin, wälzte sich auf das Dorf zu.
    »Vivat!«, schrie der Wirt »Auf zum Kolber!«
    Verzweifelt fuchtelte Vester mit den Armen.
    »Aber – aber da drüben stehn die, die ins Wasser geschmissen gehören!«, schrie er gellend. »Der Paccoli! Der Richter! Der Kolber und der Hassl! Die ganze Saubagasch!«
    »Auf, Leute! Ins Wirtshaus!«, rief Paccoli.
    »Nein!! Saufts nit das Judasbier!« Vester deutete auf ihn. »Der ists doch, der uns niederdrückt! Und der Richter! Die schmeißts rein, die tauchts unter, bis sie nimmer aufsteigen!«
    »Gib eine Ruh«, sagte Severin erschöpft. »Es ist zu spät. Pasato.«
    »Nein! – Leut! –«
    »Ja. Vester! Gib eine Ruh«, rief Gidi besorgt. »Wir haben doch gewonnen!«
    »Gewonnen?«, krächzte Vester.
    »Ja, Herrgott! Wir habens ihnen gezeigt! Dass wir was sind! Dass wir uns kein Unrecht nicht gefallen lassen!«
    »Gezeigt, ja!!« Vester war außer sich. »Aber nichts getan , du Rindvieh!«
    »Er will euch den Wein versagen!«, rief der Wirt. »Dieser fanatische Narr! Gebts ihm die Antwort!«
    Paccoli stellte sich an seine Seite.
    »Ja! Lasst euch nicht verhetzen von diesem welschen Rebellen! Wir sind Baiern!«
    Vester kippte die Augen verzweifelt zum Himmel.
    »Haaalt!«, heulte Vester auf. »Ihr Dappschädl! Ihr saudummen! «Hassl stapfte mit zornrotem Gesicht auf den Steg zu und bückte sich.
    »Dir geb ich gleich einen Dappschädl ! «
    Auch einige jüngere Zuschauer hatten sich umgedreht. Böse starrten sie Vester an.
    »Elendige Narren seids ihr! Spannts ihr das alle nit?! Ihr folgts dene Mörder und Verbrecher, die wo –«
    Hassl griff nach einem faustgroßen Stein und schleuderte ihn auf Vester. Die jungen Männer folgten seinem Beispiel. Vester wich einige Schritte zurück und hielt die Hände schützend vor sein Gesicht.
    »Narren! Ihr seids Narr –!«
    Ein Steinbrocken traf ihn mitten ins Gesicht. Vester brüllte auf. Blut schoss aus seiner Nase. Er taumelte
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