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Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger

Titel: Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger
Autoren: Torsten Fink
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darauf, dass einer die schützende Herde verlässt.«
    »Diese junge Frau hat recht«, sagte Tuge. »Wir sind zu wenige, um uns zu streiten.«
    »Was ist mit dem Wagen, Meister Tuge?«, fragte Kolyn schüchtern.
    Der Bogner sah ihn an. »Wo habe ich nur meine Gedanken? Wela, willst du nicht mit Awin gehen und den Wagen herbringen? Die Pferde sind schutzlos in der Dunkelheit.«
     
    Der schwere Wagen stand nicht weit entfernt vom Lager. Sie hätten ihn sicher bemerkt, wenn der schreckliche Anblick sie nicht so gefangen genommen hätte.
    »Du hast viel gesehen, sagst du?«, fragte Wela.
    Awin, der die Fackel trug, nickte stumm. Die Pferde waren an einen großen Felsbrocken gebunden.

    »Auch die Stadt Serkesch?«
    »Ja, das heißt, ich war nicht in der Stadt selbst«, antwortete Awin.
    Die Pferde wirkten unruhig. Wela löste das Seil und schnalzte mit der Zunge. Der Wagen setzte sich rumpelnd in Bewegung. »Aber du hast versprochen, mir davon zu erzählen.«
    »Ja, natürlich«, murmelte Awin, dem so viele andere Gedanken durch den Kopf gingen.
    »Ist sie so schön, wie man sagt?«, fragte Wela.
    Awin zuckte mit den Achseln. »Eine Stadt eben, Häuser, hohe Mauern, eng.«
    »Und die Bewohner? Du hast doch sicher einige Akkesch gesehen? Was sind das für Menschen, wie sehen sie aus, welche Kleidung tragen sie?«
    »Eigentlich habe ich nur Krieger gesehen. Und die trugen Rüstung, Speer und Schild.«
    »Und die Frauen?«
    »Unter den Kriegern gab es keine«, antwortete Awin zerstreut. Er ging neben ihr zurück zum Lager. Die schweren Wagenräder knarrten.
    »Awin, du hast mir einen Bericht versprochen.«
    »Wie? Ja, du hast recht. Verzeih, aber können wir das verschieben? Vielleicht magst du auch lieber Curru fragen. Er war in Serkesch. Ich glaube, er hat auch eine Frau erwähnt.«
    »Awin Sehersohn, du bist ein Dummkopf«, lautete die Antwort.
    Awin blieb verblüfft stehen. Womit hatte er denn das verdient?
     
    Sie schliefen in dieser Nacht nicht, sondern saßen am Feuer und tauschten Geschichten aus, nachdem sie an den Gräbern ihre Opfer gebracht hatten. Es gab viel zu berichten, nur wenig
davon war erfreulich, aber sie hatten den Heolin, und Awin zeigte ihn am Feuer. Die Bernsteinfarbe wirkte stumpf, und kein Licht war in ihm. Awin erzählte, wie Merege seine Macht beschworen und die Göttin geschlagen hatte, eine Geschichte, die in einigen wichtigen Punkten von dem abwich, was Curru zuvor erzählt hatte. Wenigstens Wela und Tuge entging das sicher nicht, aber sie schwiegen dazu, während der junge Kolyn mit offenem Mund lauschte. Als der nächste kurze Wintertag anbrach, luden sie die ledernen Häute des Zelts und auch das Holz auf den Wagen. Nachdem alles aufgeladen schien, schlug Tuge noch eine alte, zerschlissene Decke zur Seite, die zusätzlich unter einer dünnen Schicht Erde verborgen gewesen war. In einer kleinen Grube darunter fanden sich Bogen, Schwerter und einige große bronzene Gefäße.
    Curru konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Ich dachte mir schon, dass ihr euch nicht nur wegen des Holzes auf den weiten Weg gemacht habt.«
    »Es schien mir zu gefährlich, alles Wertvolle auf einmal mitzunehmen. Es gibt nicht nur Wölfe in der Steppe, Curru. Es ist Winter, Kriegszeit, und bei den Schwarzen Bergen sind Fremde gesehen worden.«
    »Dann sollten wir die Bogen tragen und nicht verstecken«, meinte Eri, und sie folgten diesem Vorschlag.
    Sie verließen die Spur der Verwüstung, die Xlifara Slahan durch die Steppe gezogen hatte. Awin war darüber froh und gleichzeitig beunruhigt. Immer wieder hatte Slahan auf ihrem Weg die blutleeren Leichen ihrer Opfer zurückgelassen. Er war erleichtert, das nicht mehr sehen zu müssen, aber er fürchtete auch die Ungewissheit, war es doch möglich, dass nun auch Männer, Frauen oder Kinder seines Klans unter diesen Opfern waren. Slahan war weitergezogen in Richtung der Schwarzen Berge, die in der Ferne in den Himmel ragten, ihr eigener Weg
führte sie aber zunächst nach Osten. Mit dem Wagen würden sie fast drei Tage zum Sichelsee brauchen.
    »Die Spur der Göttin ist kaum zu verfehlen, Seher«, meinte Tuge, als Awin mit ihm darüber sprach, dass er Slahan verfolgen wollte. »Du wirst sie leicht wieder aufnehmen können. Doch solltest du auf den Gedanken kommen, sie allein zu verfolgen, muss ich dir abraten, auch wenn du den Lichtstein hast. Srorlendh ist voller Gefahren, und wer einen Sturm jagt, kann auch durch einen Wolf, einen Räuber oder auch nur einen
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