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Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger

Titel: Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger
Autoren: Torsten Fink
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wunderte sich Awin.
    »Dort drüben liegt noch einer. Vielleicht Plünderer«, rief Eri, der sein Pferd durch das Lager hetzte.
    »Ich glaube nicht, dass hier noch etwas von Wert ist«, sagte Curru düster.
    »Seht nur, hier unter den Häuten liegt ein Wagen, doch
man hat ihn zerschlagen«, rief Awin überrascht. Er hatte sich das zusammengefallene Zelt angesehen und erleichtert festgestellt, dass es nicht das seiner Zieheltern war, also auch nicht das, in dessen Überresten er seine Schwester vermuten musste. Aber es gab noch ein Grab. Er versuchte, ruhig zu bleiben, und sandte ein Stoßgebet an die Schicksalsweberin.
    »Und sie haben das Holz nicht mitgenommen«, murmelte Curru, der hinzugetreten war.
    »Vielleicht galt es, Wichtigeres mitzunehmen«, meinte Merege.
    »Wichtiger als Holz?«, fragte Curru mit bitterem Lachen. »Man merkt, dass du vom Leben im Staubland wenig weißt, Kariwa.«
    Auch Awin fand das seltsam, noch seltsamer als die Tatsache, dass man ein Zelt zurückgelassen hatte. Holz war sehr kostbar in diesem Teil der Steppe.
    »Sei es, wie es sei«, rief Eri ungeduldig. »Wenigstens werden wir in der Nacht ein gutes Feuer haben, aber jetzt brauchen wir Fackeln.« Er war vom Pferd gesprungen, drängte sich nun an Curru vorbei und zog einen schmalen Pflock unter dem Leder hervor.
    Awin legte ihm eine Hand auf den Arm. Im Wind war ein neuer Geruch. Seine Nackenhaare richteten sich auf. Das bedeutete Gefahr. »Warte«, flüsterte er.
    »Worauf? Dass es noch dunkler wird?«
    Ein leises Sirren durchschnitt die Luft. Awin ahnte das Geschoss mehr, als dass er es sah. Er stieß Eri, ohne nachzudenken, zur Seite und spürte, wie etwas seinen ledernen Überwurf traf. Es war ein Hakul-Pfeil. Eine Handbreit weiter rechts hätte er sein Herz durchbohrt, so aber fuhr er unter seiner Achsel hindurch, ohne ihm ein Haar zu krümmen.
    »Deckung!«, zischte Curru und kauerte schon hinter dem
Zelt. Ein zweiter Pfeil sirrte durch die Luft. Awin warf sich auf den Boden.
    »Gebt es ihnen! Verschont keinen!«, rief eine raue Stimme.
    Awin rollte sich zur Seite und kroch eilig in den Schatten des Zeltes. Der Schutz der Dunkelheit war beinahe alles, was sie zu ihrer Verteidigung hatten. Ihre Bogen hatten sie am Glutrücken eingebüßt. Wenn der Feind das bemerkte, waren sie verloren. Zwei Pfeile trafen genau da, wo Awin eben noch gelegen hatte, den gefrorenen Boden, prallten ab und glitten davon.
    »Vorsicht, einer will zu den Pferden!«, rief die Stimme.
    »Tuge? Tuge der Bogner, bist du das?«, rief Curru hinüber.
    »Wer will das wissen?«, fragte die Stimme, die Awin jetzt auch eindeutig als die von Tuge erkannte.
    »Ich bin es, Curru, mit Yaman Eri. Um Kalmons willen, hört auf zu schießen.«
    »Curru? Der ist lange tot«, lautete die Antwort, mit einem Pfeil übersandt, der sich dicht neben dem alten Seher in das Zelt bohrte.
    »Tuge, du störrischer Esel, erkennst du die Stimme eines Freundes nicht, wenn du sie hörst?«, rief Curru hinüber.
    »Er ist es wirklich, Onkel«, rief eine helle Stimme.
    »Wela?«, fragte Awin. »Wela, Tuwins Tochter? Ich bin es, Awin!«
    »Bei den Hütern, es ist ein Wunder, ein großes Wunder. Hört auf zu schießen, hört auf! Sie sind es wahrhaftig«, rief Tuge.
     
    Neben Wela war noch ein Junge mit Tuge gekommen. Er hieß Kolyn, und Awin erinnerte sich, dass er vor ihrem Aufbruch noch ein Kind gewesen war, ein Ziegenhirte, von dem niemand verlangt hätte, in den Krieg zu ziehen. Jetzt baumelte ein Sichelschwert an seinem Waffengurt, und er führte einen
Bogen, für den er eigentlich noch zu klein war. Awins erste Frage galt seiner Schwester, und auch Eri und Curru bestürmten den Bogner mit Fragen nach ihren Familien, doch Tuge wehrte bekümmert ab und sagte: »Ich habe schlechte Nachrichten für euch, und ich weiß nicht, ob ich die richtigen Worte finde, um zu beschreiben, was geschehen ist, doch denke ich, dass es besser ist, der Reihe nach zu berichten, denn sonst werdet ihr vielleicht nicht verstehen, was ich euch über die Euren zu sagen habe.«
    Nach dieser umständlichen Einleitung schilderte Tuge, wie der Sturm über die Hügel herangekommen war, und in seinem Schutz Slahan, die Menschendiebin. »Sie kam nicht allein. Nyet ging ihr voraus und rüttelte an unseren Zelten, Seweti war dort und verspottete uns mit ihrem Flüstern, und als es vorüber war, blieb Dauwe zurück mit seinem lastenden Schweigen und labte sich an unserem Elend. Aber am seltsamsten war, dass auch Menschen
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