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Der Smaragdenregen

Der Smaragdenregen

Titel: Der Smaragdenregen
Autoren: Jurij Kusnezow
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bevor ich ganz unten bin.
    Chris spürte seinen Körper nicht mehr, was ihm unerklärlich war. Er schwebte in der Luft wie ein Astronaut in der Schwerelosigkeit. Hoch oben gewahrte er einen Lichtpunkt.
    Es gelang ihm, mit einer Hand die Brunnenwand zu berühren und sich ganz sacht mit den Fingerspitzen abzustoßen. Gleich darauf spürte er mit seiner anderen Hand die Wand, und zwar nicht mehr nur mit den Fingerspitzen. Der Junge versuchte, sich festzuhalten und nach oben zu stemmen. Er schaffte fast einen halben Meter, stieß sich auf diese Weise Stück um Stück in die Höhe, dem Ausgang zu. Mit der Zeit ging es dann leichter, vielleicht weil er Übung bekam, vielleicht auch, weil der Schacht nach oben hin enger wurde…
    Natürlich wußten weder Chris, noch Oicho, noch sonst jemand im Zauberland, daß dieser Stein nicht von Gingema, sondern von Hurrikap selbst erschaffen worden war. Niemand war damals dabei gewesen, und so hatte es niemand an die Nachfahren weitergeben können. Deshalb stand es auch nicht in der Chronik der Zwerge.
    Erst sehr viel später hatte die böse Hexe Gingema zufällig den Stein entdeckt, weil er sie gegen ihren Willen mit aller Kraft anzog. In den Schacht konnte sie allerdings nicht fallen. Hurrikap hatte ihn nämlich mit einem dicken steinernen Deckel verschlossen. Erst nach Tausenden von Jahren wurde er durch den Einfluß von Wasser und Wind, von eisigen Nachtfrösten und sengender Tageshitze zerstört. Gingema entdeckte den Schacht nicht, wurde aber durch die Anziehungskraft auf den Gedanken gebracht, solche Steine für ihre Zwecke zu nutzen. Sie entfesselte einen Wirbelsturm, worauf sie sich ja bestens verstand, und legte mit Hilfe ihrer Hexenkunst einen ganzen Ring Schwarzer Steine rund um das Zauberland. Kein einziges Lebewesen sollte mehr dorthin gelangen und sie in ihrer Herrschaft stören.
    Hurrikaps Stein war von den anderen nur aus der Nähe zu unterscheiden. Ihm fehlte die Aufschrift, mit der die eitle Gingema alle übrigen Blöcke versehen hatte.
    Die Hexe versuchte später noch oft, herauszufinden, was es mit diesem ungewöhnlichen Stein auf sich hatte. Sie konnte es sich nicht anders erklären, als daß er eine Falle für unvorsichtige Wanderer darstellte.
    Inzwischen war Chris am oberen Brunnenrand angelangt. Er klammerte sich fest an die Umrandung, stemmte sich mit den Armen hoch, steckte den Kopf aus der Öffnung und schaute sich um.
    In der Ferne sah er den Drachen Oicho zögernd zu den Weltumspannenden Bergen davonfliegen, an seinen Rücken klammerte sich, kaum erkennbar, ein winziges Menschlein. Chris begriff, daß er in seinem Unglück allein war.
    Doch den Kopf hängen zu lassen, war nicht seine Art. Fred Cunning und Tim O’Kelli hatten noch ganz andere Schwierigkeiten bewältigen müssen. Außerdem war ihm klar, daß seine Freunde ihn nicht im Stich lassen, sondern Hilfe herbeiholen würden. Chris stemmte sich also weiter in die Höhe, ragte schon fast bis zum Gürtel aus dem steinernen Schacht. Aber je mehr er sich bemühte, endgültig ins Freie zu gelangen, desto schwieriger wurde es. Wie mit einem Magneten sog ihn der Brunnen wieder ein. Die Finger verloren ihren Halt, und schließlich stürzte der Junge pfeilschnell in die Tiefe.
    Diesmal hatte es ihn so weit hinabgeschleudert, daß er nicht einmal mehr den schwachen Lichtschein über der Schachtöffnung erkennen konnte.
    Was soll ich bloß tun? überlegte Chris. Ich muß um jeden Preis hier herauskommen, aber wie?
    Nach kurzem Nachdenken beschloß er, bis zum Grund vorzudringen, vielleicht gab es dort einen zweiten Ausgang.
    Langsam, mit den Händen die Wände abtastend, arbeitete sich Chris Tall in die Tiefe des Schachtes vor. Später drehte er sich, verlor etwas die Orientierung und gewahrte schließlich in einiger Entfernung einen seltsamen bläulichen Lichtschein. Dort flirrten unzählige kleine Fünkchen, die an Glühwürmchen erinnerten. Sie waren es auch, die den Tunnel leicht erhellten.
    Zuerst war Chris verwundert, doch dann begriff er: Es mußten Sterne sein! Wahrscheinlich war es schon dunkel draußen. Gewiß hatte ihn der Schacht durch eine Krümmung wieder an die Oberfläche geführt. Vielleicht gelangte er jetzt leichter ins Freie.
    Plötzlich aber spürte er, daß es ihn vorwärtszog, schneller und immer schneller. Diesmal schien der Tunnel ihm zu helfen. Chris wollte ein wenig abbremsen, doch das gelang nicht. Seine Hände fanden an den glatten Wänden keinen Halt. Er sauste dahin, wurde
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