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Der Skorpion von Ipet-Isut

Der Skorpion von Ipet-Isut

Titel: Der Skorpion von Ipet-Isut
Autoren: Anke Napp
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Gereiztheit weiter ansteigen. 
    „Ich habe sogar Beweise, dass der Bruder Sethnakhts, des Ersten Mundschenks, in die jüngste Grabräuberaffäre verwickelt ist…“
    „Was für Beweise?“ fragte Nefertari, ein Mindestmaß an Interesse heuchelnd.
    „Zeugenaussagen. Es ist nicht das erste Mal, das weißt du auch. Und diesmal bringe ich ihn vor das Tribunal!“
    „Das kannst du nicht tun, Amenemhat. Er ist einer der Edlen, aus dem Hohen Haus!“
    „Nun, dann hätte er sich nicht in solche niederen Begierden verstricken sollen, meinst du nicht?“
    „Es wird sich ein anderer Sündenbock finden lassen…“ Nefertari streckte die Hand nach den Trauben in der Obstschale aus, bestrebt, das Gespräch endlich in eine andere, angenehmere Richtung zu lenken. Aber Amenemhat ließ das nicht zu. „Ich kann nicht immer einen Sündenbock suchen, wenn ich den Schuldigen genau kenne. Zumal ich nicht der Einzige bin, der darüber Bescheid weiß. Lasse ich ihn diesmal unbeschadet davonkommen, gibt das noch mehr böses Blut unter den Arbeitern in West-Waset und im Volk!“ 
    Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. „Die Situation für die Bauern und Städte im Delta hat sich auch dramatisch verschlechtert, es muss schnell eine Entscheidung herbeigeführt werden, sonst wird es zu Unruhen kommen. Nicht nur dort, sondern auch hier in Waset. Es sind schon so viele Flüchtlinge in der Stadt; wer soll sie ernähren? Ganz abgesehen davon, wenn wir die Getreidelieferungen von den Feldern aus dem Delta verlieren!“
    Nefertari gähnte gelangweilt. „Ich glaube, du wirst alt! Du hörst dich schon an wie Ramses mit seinem ewigen Gewimmer!“
    „Mit dem Unterschied, dass dein Gemahl es beklagenswert findet, wenn eine Statue für sein Grabmal nicht das gewünschte Aussehen hat, nicht, wenn Kemet in einer bedrohlichen Lage ist! - Wir müssen die Treue der Gaufürsten zurück gewinnen, um jeden Preis! Wenn sie sich tatsächlich mit den Libyern verbünden und womöglich ein gemeinsames Heer aufstellen – Hörst du mir überhaupt zu, Nefertari?“
    „Natürlich…“ Ihre Hände streichelten sanft über seine Schultern und bewiesen das Gegenteil. Sie war an allen möglichen Dingen interessiert, aber nicht an Politik.
    „Wenn es größere Unruhen in Waset gibt, können wir sie schwerlich ohne die Truppen des Pharao niederschlagen. Und sind seine Soldaten hier, werden die Gaufürsten wieder aufmüpfig! Und unter Umständen…“ Die Stimme des Hohenpriesters sank zu einem noch leiseren Flüstern. „…verspürt er keine große Ambition mehr, den Feldzug wieder aufzunehmen! Ich wusste nicht, dass du deinen geliebten Gemahl so rasch wieder in deinem Bett haben willst!“
    Ein Schatten noch deutlicheren Widerwillens legte sich auf Nefertaris geschminktes Gesicht. Nein, so wahr die Götter lebten, sie war ganz und gar nicht darauf aus, Ramses allzu dicht bei sich zu haben! Sie verabscheute ihn ganz einfach. Er langweilte sie, widerte sie an; er war alt und faltig und hatte jetzt schon als Lebender einen Geruch an sich, der sie an die Totenhäuser erinnerte!
    „Hör’ auf mit diesen düsteren Prophezeiungen, Amenemhat!“ sagte sie jetzt, ihre Lippen so nah an seinem Ohr, dass er ihren warmen Atem über seine Haut streichen fühlte. Jeder einzelne Atemzug brannte vor Begierde. „Lass uns ... einen Platz finden ... an dem wir ... ungestört sind...“
    „Das sind keine Prophezeiungen, sondern die unangenehmen Tatsachen, mit denen ich mich befassen muss“, erwiderte er, dabei dem Wesir, der begonnen hatte, in seine und Nefertaris Richtung zu starren, einen finsteren Blick zuwerfend. Der Höfling hielt es schnellstens für angeraten, seine Aufmerksamkeit etwas Anderem zuzuwenden. Bei diesen hektischen Bemühungen stieß er den Weinkrug des vor ihm sitzenden Ersten Aufsehers um. Ein kleiner Disput entbrannte zwischen den beiden nicht mehr ganz nüchternen Männern. Amenemhat erhob sich, sehr zum Unwillen der Königlichen Gemahlin. Aber dies war wirklich nicht der Ort, den Gelüsten nachzugeben, die so deutlich aus ihren Augen sprachen! Mit den Jahren war sie diesbezüglich immer unvorsichtiger geworden – und er immer vorsichtiger. Er wusste, dass seine Gegner bei Hofe keineswegs bereit waren, zu allem nachsichtig die Augen zu schließen – im Gegenteil. Manch einer von ihnen wartete nur auf eine günstige Gelegenheit. Und die wollte er ihm auf keinen Fall liefern, auch wenn das bedeutete, dass sich Nefertaris gekränkter Blick
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