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Der Sieger bleibt allein (German Edition)

Der Sieger bleibt allein (German Edition)

Titel: Der Sieger bleibt allein (German Edition)
Autoren: Paulo Coelho
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gibt sie dem Feind Macht über sich, lässt ihn wissen, dass er sie in Angst und Schrecken versetzen kann.
    »Und ich hätte dir gern bei einem Abendessen zu zweit gesagt, dass mir die Bankette, Juwelen, Reisen und Begegnungen mit Königen und Präsidenten gestohlen bleiben konnten, weil ich mich einsam fühlte«, fährt Ewa fort. »Und weißt du, was noch? Du hast mir immer teure Geschenke mitgebracht, mir aber das Einfachste der Welt nie geschickt. Blumen.«
    Aus dem Gespräch ist ein gewöhnlicher Ehekrach geworden.
    »Ich lasse euch besser allein weiterreden.«
    Igor sagt nichts. Er starrt immer noch aufs Meer, hält aber die Waffe so auf Hamid gerichtet, dass diesem klar sein muss: Keine Bewegung! Der Mann ist verrückt, seine scheinbare Ruhe gefährlicher als wütendes Geschrei oder lautstarke Gewaltandrohungen.
    »Nun«, fährt er fort, als hätte er weder Ewas Einwände gehört noch gesehen, dass Hamid sich geschickt in seine Schusslinie gebracht hat. »Du hast den einfachsten Aus weg gewählt. Mich zu verlassen. Du hast mir keine Chance gegeben, hast nicht verstanden, dass ich alles nur für dich tat.
    Dennoch hätte ich trotz allem, obwohl du mir unrecht getan und mich gedemütigt hast, alles getan, um dich wieder zurückzugewinnen. Bis heute. Bis zu dem Augenblick, in dem ich dir die Botschaften geschickt habe und du so getan hast, als hättest du sie nicht bekommen. Mit anderen Worten, bis Menschen geopfert wurden – doch selbst das hat dich nicht berührt, dir waren Macht und Luxus wichtiger.«
    Der vergiftete Filmstar und der Regisseur, der zwischen Leben und Tod schwebt: Begreift Hamid jetzt endlich das Unvorstellbare? Denn damit würde er etwas noch viel Schwerwiegenderes begreifen: dass nämlich der Mann, der neben ihm sitzt, mit seinem Geständnis gerade ihrer beider Todesurteil gefällt hat – entweder bringt er sich jetzt selber um, oder er tötet Ewa und Hamid, weil sie zu viel wissen.
    Vielleicht deliriert sie ja. Vielleicht bildet sie sich das alles auch nur ein, vielleicht versteht sie Igor nicht richtig. Eines aber weiß sie: Die Zeit drängt.
    Hamid blickt auf die Waffe in der Hand des anderen Mannes. Kleines Kaliber. Wenn es keine lebenswichtigen Stellen im Körper trifft, wird es keinen großen Schaden anrichten. Igor scheint keine große Erfahrung in diesen Dingen zu haben, sonst hätte er ein größeres Kaliber gewählt. Er wird einfach die erstbeste Waffe gekauft haben, die schießt und töten kann.
    Die Band oben beginnt zu spielen. Die laute Musik wird verhindern, dass man einen Schuss hört. Und wenn trotzdem jemand etwas hört, würde er dann aus dem künstlichen Lärm, der zurzeit die Umwelt verpestet – denn anders kann man es nicht nennen – einen Schuss heraushören?
     
    Igor schweigt, und das ist gefährlicher, als wenn er sich Bitterkeit und Hass von der Seele reden würde. Hamid geht noch einmal alle Möglichkeiten durch, denn er muss in den nächsten Sekunden handeln. Er muss sich mit ausgestreckten Händen auf Ewa werfen und die Waffe packen, die Igor immer noch nachlässig auf dem Schoß hält. Igor würde vor Schreck zurückweichen, und damit käme Ewa aus der Schusslinie heraus. Igor würde den Arm heben, auf ihn zielen, aber da wäre Hamid schon nah genug und könnte ihn am Handgelenk packen. Alles würde nur eine Sekunde dauern.
    Jetzt.
    Vielleicht bedeutet das Schweigen ja etwas Positives, nämlich dass Igor kurz geistesabwesend ist. Oder aber es bedeutet im Gegenteil den Anfang vom Ende. Igor hat ja bereits alles gesagt.
    Jetzt.
    Im ersten Bruchteil der Sekunde spannt sich der Muskel in seinem rechten Schenkel kräftig an, katapultiert Hamid mit großer Geschwindigkeit und Kraft auf das Absolute Böse zu; während er sich mit ausgestreckten Händen auf den Schoß seiner Frau wirft, bietet sein Körper weniger Angriffsfläche. Die erste Sekunde läuft weiter, er sieht, wie die Waffe direkt auf seine Stirn zielt – Igor reagiert schneller, als Hamid vorausgesehen hatte.
    Sein Körper fliegt weiter auf die Waffe zu. Ewa und er hätten mehr über ihre Vergangenheit reden sollen. Von sich aus hatte sie nie viel von ihrem Exmann erzählt, als wollte sie sich auf gar keinen Fall an ihn erinnern. Auch wenn alles wie in Zeitlupe abläuft, weicht Igor schnell wie eine Katze zurück. Die Hand mit der Pistole zittert nicht.
    Die erste Sekunde geht zu Ende. Hamid sieht die Bewegung des Fingers, hört aber kein Geräusch, spürt nur einen Druck, der ihm den Schädel mitten
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