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Der Sieger bleibt allein (German Edition)

Der Sieger bleibt allein (German Edition)

Titel: Der Sieger bleibt allein (German Edition)
Autoren: Paulo Coelho
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dem roten Teppich fotografiert worden ist. Sie wird dann auch sagen, dass man sie gezwungen habe, ihren Namen zu ändern. Aber wenn ihre Eltern aufgeregt fragen würden, wie es denn nun weitergehe, würde sie das Thema wechseln: Sie ist abergläubisch und redet nicht über Projekte, solange sie nicht tatsächlich umgesetzt werden. Sie würden schon alles erfahren, wenn die Nachrichten sich verbreiten würden: Unbekannte Schauspielerin ergattert Hauptrolle. Lisa Winner der Ehrengast eines Festes in New York. Bislang unbekanntes Mädchen aus Chicago ist die große Entdeckung in Gibsons Film. Agent verhandelt über Millionenvertrag mit einem der großen Filmproduzenten Hollywoods.
    Der Himmel allein ist die Grenze.

23 Uhr 11
     
     
     
    »Wieso bist du schon zurück?«
    »Ich wäre schon viel eher hier gewesen, aber der Verkehr war einfach schlimm.«
    Jasmine schleudert die Schuhe in eine, die Tasche in die andere Ecke. Sie wirft sich erschöpft in den Kleidern aufs Bett.
    »Die wichtigsten Worte sind in allen Sprachen kurz. ›Ja‹ beispielsweise. Oder ›Liebe‹. Oder ›Gott‹. Es sind Worte, die leicht auszusprechen sind und die leeren Stellen in unserer Welt ausfüllen. Doch es gibt auch ein Wort – ebenfalls sehr kurz –, das ungeheuer schwer auszusprechen ist. Aber ich werde es jetzt tun.«
    Sie blickt ihre Lebensgefährtin an:
    »Nein.«
    Sie klopft auf das Bett und bittet sie, sich neben sie zu setzen. Streichelt ihr übers Haar.
    »Das ›Nein‹ hat den Ruf, ein verfluchtes, egoistisches, wenig spirituelles Wort zu sein. Wenn wir ›ja‹ sagen, finden wir uns großzügig, verständnisvoll, wohlerzogen. Aber ich sage dir jetzt: ›Nein.‹ Ich werde nicht tun, worum du mich gebeten hast, weil du findest, es sei für mich das Beste. Selbstverständlich wirst du jetzt sagen, ich sei erst neunzehn und verstünde noch nicht viel vom Leben. Aber mir reicht eine Gala wie die von heute Abend, um zu wissen, was ich will und was ich auf gar keinen Fall will.
    Ich wollte nie Model werden. Ich habe nie gedacht, dass ich mich einmal verlieben könnte. Ich weiß, dass die Liebe nur in Freiheit leben kann. Aber wer sagt denn, ich sei jemandes Sklavin? Ich bin nur Sklavin meines Herzens. Ich hatte dich erwählt, noch bevor du mich erwählt hast. Ich habe mich auf ein Abenteuer eingelassen, das mir unmöglich erschien. Ich habe, ohne zu klagen, alle Konsequenzen auf mich genommen – von den Vorurteilen der Gesellschaft bis hin zu den Problemen mit meiner Familie. Ich habe das alles überwunden, um hier in Cannes bei dir zu sein, den Triumph einer großartigen Modenschau zu genießen und dabei zu wissen, dass ich im Leben noch andere Chancen haben werde. Ich weiß, ich werde sie haben, an deiner Seite.«
    Jasmines Lebensgefährtin legt sich neben sie aufs Bett und den Kopf in ihren Schoß.
    »Ein Ausländer, den ich heute Nacht kennengelernt habe, hat mich darauf aufmerksam gemacht, als ich verloren in der Menge herumstand und nicht recht wusste, was ich sagen sollte. Ich fragte ihn, was er dort auf dem Fest mache. Er antwortete, er habe seine Liebe verloren und sei gekommen, um sie zu holen, sei sich aber nicht mehr ganz sicher, ob er das noch wolle. Er bat mich, in die Runde zu schauen: Wir waren von Leuten voller Gewissheiten, Ruhm und Siegen umringt. Und er meinte dann: ›Die amüsieren sich nicht. Sie finden, dass sie auf dem Höhepunkt ihrer Karriere angelangt sind, und der unausweichliche Abstieg erschreckt sie. Sie haben vergessen, dass es noch eine ganz andere Welt zu erobern gibt, weil...«
    »... sie sich daran gewöhnt haben.«
    »Genau. Sie besitzen viele Dinge, haben aber keine Träume mehr. Sie haben jede Menge Probleme bereits gelöst, Projekte sind auf dem Weg, die Unternehmen laufen gut, nun bleibt ihnen nur noch die Angst vor der Veränderung. Und deshalb gehen sie auf jede Party, zu jedem Treffen – um nur ja keine Zeit zum Nachdenken zu haben. Um immer dieselben Leute zu treffen und um das Gefühl zu haben, alles würde wie gehabt weitergehen. Gewissheiten haben Leidenschaften ersetzt.«
    »Zieh dich aus!«, sagt die Lebensgefährtin, weiter nichts.
    Jasmine steht auf, zieht sich aus und schlüpft unter die Bettdecke.
    »Zieh dich auch aus! Nimm mich in den Arm! Ich muss jetzt deine Arme um mich spüren, denn heute hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, dass du mich gehen lassen wolltest.«
    Ihre Lebensgefährtin zieht sich auch aus, löscht das Licht. Jasmine schläft sofort in ihren Armen ein.
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