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Der siebte Schwan - Mer, L: Der siebte Schwan

Der siebte Schwan - Mer, L: Der siebte Schwan

Titel: Der siebte Schwan - Mer, L: Der siebte Schwan
Autoren: Lilach Mer
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und der Rose endlich auf dem Papier zur Vollkommenheit verhelfen, bevor sie im Leben ganz verblüht war. Für den Dachboden war später noch Zeit. Die Eltern würden mit dem Doktor noch lange beisammensitzen, und Mamsell war mehr als beschäftigt, das Gästezimmer noch säuberlicher als sonst herrichten zu lassen. Es gab keinen Grund zur Eile; kein Grund, ihr Glück herauszufordern, auch wenn sie sich um die Spieluhr ein wenig Sorgen machte.
    Bei der Haustür strich der schwarz-weiße Kater herum. Er kam selten herein, obwohl die Mutter Katzen liebte und nur die struppigsten aus dem Haus verbannte. Sein dunkler Rücken glänzte schöner als Seide, er trug helle Strümpfe an drei Beinen und hatte große, seelenvolle Augen in der Farbe von Sherry. Trotzdem war etwas Wildes an ihm, etwas, das so ganz anders war als die weißen und rosafarbenen Kätzchen im Porzellanschrank. Man traute ihm ohne weiteres zu, in der Scheune mit den Stallkatzen Jagd auf kleine Mäusekinder zu machen.
    »Willst du mir wohl aus dem Weg gehen, wilder Geselle?«, sprach Mina ihn an. »Was tust du überhaupt drinnen, bei der herrlichen Sonne? Musst du nicht einer schönen Katzendame den Hof machen?«

    Der Kater maunzte leidvoll. Vielleicht hatte seine Liebste ihn im Stich gelassen? Seine Krallen klickten wie Minas Stiefelabsätze auf den Fliesen, als er zu ihr herüberkam und sich an ihren Beinen rieb. Sie bückte sich und strich ihm über den Rücken, und er schnurrte, tief und laut wie ein Wasserkessel, bevor er zu kochen beginnt. Es war ein so einladendes, behagliches Geräusch, dass Mina sich auf den Boden setzte und ihn streichelte, während er mit den Pfoten ihren Rocksaum knetete.
    Erst nach einer ganzen Weile schob sie sie sanft beiseite. Das Licht hatte sich verändert; wenn sie sich nicht beeilte, würde die Sonne hinter dem Hausdach stehen, und im Gewächshaus wäre nicht mehr genug Licht, um die Rose vernünftig zu zeichnen. Der Kater blinzelte sie träge an. Mit einem Gähnen, das all seine nadelfeinen weißen Zähne über der rosa Zunge zum Schimmern brachte, legte er die Pfoten zurück auf ihren Rock. Mina lachte leise.
    »Eigensinnig wie alle Katzen, was? Nun komm schon.« Sie drückte gegen die weißbestrumpften Pfoten, aber er hatte die Krallen ausgefahren und tief in den dünnen Stoff gebohrt.
    »Lass los, ja? Ich verspreche dir …«, sie sah einen Moment nachdenklich in die Luft. Katzen mochten Milch, aber in der Küche unten im Keller hatte Mina nichts verloren. Vielleicht stand eine Kanne für den Nachtisch-Kaffee in der Anrichte, ganz hinten im Flur?
    Sie streichelte den runden Kopf. »Ich verspreche dir ein schönes Schlückchen Milch, wenn du mich aufstehen lässt, werter Herr Kater.«
    Die großen Augen betrachteten sie aufmerksam. Noch einmal wurde das Mäulchen aufgerissen, und die Zähne
blitzten in der Nachmittagssonne. Dann glitten die Krallen mit einem ganz feinen, zarten Geräusch aus dem Rockstoff; der Kater reckte sich, bis er beinahe doppelt so lang war wie sonst, und stand auf. Mina streichelte ihn noch einmal, bevor sie sich erhob.
    »Lieb von dir.« Sie musste wieder lachen, während sie hinter seinem hocherhobenen Schwanz, wie ein Wegweiser, den Flur zurückging. Mamsell würde die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, wenn sie sie dabei ertappte, wie sie mit der Katze sprach.
    Sie kamen an der Tür zum Speisezimmer vorbei, und mit einem Mal blieb der Kater stehen, ohne jeden Grund, wie es die Art von Katzen ist; so plötzlich, dass Mina stolperte. Im Fallen streckte sie unwillkürlich die Arme aus, die Fliesen klatschten hart und kalt gegen ihre Handflächen, und Schmerz schoss die Gelenke hinauf bis in die Schultern. Sie fand sich auf allen vieren wieder.
    »Du kleines Biest!« Zitternd atmete sie aus. »Was soll denn das? Ich dachte, wir hätten uns auf die Milch geeinigt?«
    »Das können Sie nicht wissen«, sagte eine Männerstimme.
    Mina erstarrte. Der Kater war an der Stelle stehen geblieben, wo er sie zu Fall gebracht hatte, reglos, ungerührt. Jetzt setzte er sich langsam und sah sie an.
     
    Die Esszimmertür war nicht ganz geschlossen. Wahrscheinlich war Frieda wieder nachlässig gewesen; die spaltbreit offenen Türen überall waren einer der Gründe dafür, dass es im Gutshaus ständig zog. Mina richtete sich langsam auf, bis sie auf den Fersen saß. Sie wischte die Hände
am Rock ab. Die goldenen Kateraugen verfolgten jede ihrer Bewegungen.
    »Was …«, sagte sie sehr leise.
    Dann sprach
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