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Der siebte Kristall

Der siebte Kristall

Titel: Der siebte Kristall
Autoren: Horst Hoffmann
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war. Ganz Carlumen schien in Flammen zu stehen. Irrlichter tanzten über der Pueblostadt. Einige Rohnen rannten brüllend ins Freie, warfen sich hin und krümmten sich unter Qualen zusammen.
    Gerrek nahm alles nur wie durch Schleier wahr. Sein Magen rebellierte. Seine Knie knickten ein. Er verlor das Gefühl für die Zeit, wußte nicht mehr, wo oben und unten war.
    Dann schlug etwas wie die Faust eines Titanen nach der Fliegenden Stadt. Vor Gerreks geschlossenen Augen sprühten Funken. Er bekam keine Luft mehr. Wie an einer dehnbaren Schnur, die sich ruckartig zusammenzog, wurde Carlumen fortgerissen. Das Mahlen und Rauschen, Schreien und Krachen vermischte sich zu einem einzigen Laut, der durch Mark und Bein ging. Es war wie die Stimme eines Monstrums, das sich anschickte, die ganze Welt zu verschlingen.
    Es war zuviel für Gerrek. Das letzte, das der Mandaler noch spürte, war, wie seine Beine hinter ihm waagrecht in der Luft hingen.
    Er wurde fortgerissen und fiel…
    …und dann war Stille.
    Gerrek begann sich zu rühren. Er lag flach auf dem Rücken und schnappte nach Luft. Seine Lungen schmerzten. Noch immer tanzten die Funken vor seinen Augen. Er versuchte, sich aufzurichten. Jemand drückte ihn rauh auf den Boden zurück.
    »Laß ihn doch«, hörte er eine weibliche Stimme sagen. »Das Unglück ist groß genug. Viele von uns sind vermutlich gestorben oder wahnsinnig geworden.«
    »Eben!« sagte eine zweite Stimme, die eines Mannes, eines Rohnen. »Und sie sind schuld daran. Wir vertrauten ihnen, doch von Anfang an stand ihnen der Sinn danach, uns zu vernichten.«
    Gerrek blinzelte und sah mindestens ein halbes Dutzend Rohnen vor dem seltsam düsteren Licht des Eingangs.
    »Warte nicht länger, bis seine Freunde sich erholt haben!« schrie einer. »Mythor hat zwei von uns hinterrücks erschlagen! Zahlen wir es ihnen heim, solange sie noch geschwächt sind! Fangt mit dem da an!«
    Sie meinen mich! durchfuhr es Gerrek. Aber was faseln sie von Mythor?
    Er wußte es, als sich die Spitze eines Dolches in seine Kehle drückte: Der andere! Er hatte gehört, daß sich der Schatten in diesem Bereich der Wohnstadt herumtrieb, und hatte auf eigene Faust versucht, ihn zu stellen. Er hatte den Helden spielen wollen, um es Tertish zu zeigen. Jetzt schien seine letzte Stunde gekommen.
    Es war ruhig, unheimlich still. Carlumen schien sich überhaupt nicht mehr zu bewegen.
    Und er, Gerrek, war vielleicht der einzige, der nun zu wissen glaubte, was der Unheimliche vorhatte. Er mordete Rohnen, um die Nomaden gegen Mythor und die Gefährten aufzubringen!
    Niemand würde bald dem anderen mehr über den Weg trauen. Das bedeutete Krieg auf Carlumen, einmal ganz abgesehen von den Gefahren, die hier im Unbekannten noch lauern mochten.
    Gerrek konnte Mythor nicht warnen. Das kalte Metall wurde tiefer in seine Haut gestoßen und ritzte sie.
    »Du bist der erste!« knurrte haßerfüllt der Rohne, der über ihm kniete. Gerrek hatte nicht die Kraft, ihm seinen feurigen Atem entgegenzuschicken. Er schloß, die Augen und wartete auf das Ende.
*
    Was beim Durchgang durch den Lyrer-Schlund genau geschehen war, dies wußte keiner der Carlumer zu sagen. Sie alle waren entweder bewußtlos oder unfähig gewesen, noch irgend etwas wahrzunehmen. Die erste Empfindung danach war eine völlige Leere gewesen, nach dem Toben der entfesselten Wirbelkräfte die vollkommene Stille.
    Carlumen lag mit beachtlicher Schlagseite und fast zur Hälfte versunken in einem sumpfigen Morast. Der Himmel war düster. Mythor brummte immer noch der Schädel, als er durch das Fensterauge im Bug sah und in der Ferne eine wirbelnde Wand zu erkennen glaubte, in der es wetterleuchtete und zu brodeln schien.
    Er hörte Geräusche hinter sich. Jemand stöhnte. Andere erwachten erst jetzt und schrien auf, als sie die Stille wie ein körperlicher Schlag traf. Allmählich nur fanden die Magiekundigen sich zusammen, die Ratlosigkeit in den Gesichtern geschrieben.
    »Wo… sind wir?«
    Sadagar stellte die Frage. Als Mythor sich endlich vom Fenster abwandte, sah er den Nykerier auf den Steuertisch gestützt. Er hatte blutige Schrammen an der Stirn. Die beiden Aasen verbanden sich gegenseitig ihre Wunden. Fronja ließ sich in Mythors Arme fallen. Nadomir stand unsicher in einer Ecke und hielt die Augen geschlossen, während Glair die vom Tisch geschleuderten DRAGOMAE-Steine aufsammelte.
    »Wo sind wir?« fragte Sadagar noch einmal. Er stürzte zum Fenster und erstarrte. »Wir versinken
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