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Der Semmelkoenig

Der Semmelkoenig

Titel: Der Semmelkoenig
Autoren: Katja Hirschel
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hatte sich schon umgedreht und ging zügig hinter Doktor Frank den Hügel zu den Autos hinunter.
    »Na, Hannes, ham Sie immer noch Hunger?«
    Claudia war neben ihn getreten.
    »Äh, was? Nee …«, er drückte auf die Semmel, »… nee, die ess’ ich nicht, die ist ja total altbacken!«
    »Wie? Ach Sie meinen, die Semmel is nimma resch? Ja, das kommt vor beim Bäcker Möller. Der entsorgt gern im Kindergarten. Die is bestimmt vom Vortag. Wussten Sie eigentlich, dass unsere Steffi mit ihm verwandt ist? Er ist irgendein Großonkel oder so von ihrer Mutter. Der ist reich wie Krösus, müssen Sie wissen. Dem gehört ’ne Großbäckerei. Aber er is extrem geizig, sodass er jeden Tag im Betrieb vorbeischaut und alles kontrollieren muss. Und die Blonde da drüben, die sich grad an den Sanitäter ranschmeißt, is seine Tochter Sybille. Also Steffis … Äh? Großgroßcousine? Egal, irgendsowas eben. Aber wenn man die jetzt so sieht, sollt man nicht meinen, dass die verwandt sind, oder?«
    Hannes musste ihr recht geben. Trotzdem fühlte er sich geschmeichelt, da Sybille auffällig oft zu ihm hinübersah.
    »Ja, ja, das kenn ich. Je kleiner die Ortschaften, umso enger sind die Leute miteinander verwandt.«
    »Wem sagen Sie das. Der Typ, der unser Rotkäppchen gefunden hat, ist übrigens ein Vetter von mir. Manchmal wünschte ich, in einer Großstadt zu leben, wo man nicht an jeder Eck einen aus der Sippe trifft.«
    So war das also? Der Cousin! Auf Hannes Gesicht breitete sich ein Lächeln aus und vor lauter Erleichterung biss er in die Semmel.

10
    »Ja, Steffi, ich denke, es ist besser, wenn Sie auch hierherkommen. Die Mutter wird wahrscheinlich eine weibliche Schulter zum Ausweinen brauchen. Hmhm … Ja genau! … Hmhm … hmhm, hmhm … richtig. Ja, das ist die Verlängerung von der Ringstraße. Gut! Bis gleich.«
    Kommissar Maus klappte das Handy zu und blickte gedankenverloren und etwas dumpf vor sich hin. Tja, nun musste er wohl eine schlechte Nachricht überbringen. Das Fenster seines Dienstwagens war heruntergelassen. Ein Amselmännchen in der gegenüber wachsenden Glanzmispel gab sein Bestes, um einerseits den Lärm der Fußball spielenden Jungen zu übertönen, damit andererseits seine Angebetete auf ihn aufmerksam wurde. Diese saß, sich sehr wohl ihrer Unwiderstehlichkeit bewusst, kokett uninteressiert auf der Mülltonne vor Haus Nummer 100 und genoss es sichtlich, so umworben zu werden. Leider nahm das romantische Intermezzo ein jähes Ende, als der Fußball gegen die Tonne flog, dort abprallte, die Flugbahn änderte, gegen Maus Windschutzscheibe schlug und von dort in irgendeinem Garten des Siedlungsgebietes verschwand. Vogel und Kommissar verhielten sich ob dieses böswilligen Anschlags gleich. Während das Tier mit einem aufgeregten »Tektektektek« aufflatterte, fuhr Maus erschrocken hoch, wurde aber leider sofort zurückgezerrt, da er den Sicherheitsgurt noch nicht gelöst hatte und musste daher seinem Ärger besonders lautstark Luft machen.
    »Ja, spinnt ihr denn!«
    Genervt fummelte er an der Schließe des Gurts herum. Endlich war er befreit und riss die Autotür auf.
    »Könnts ihr nicht aufpassen? Das ist doch kein Spielplatz hier mitten auf der Straße!«
    Drei der vier Jungen blickten betroffen zu Boden. Allein schon diese Reaktion ließ Maus sofort wieder in versöhnlichere Stimmung kommen. Es waren ja nur Kinder. Außerdem war es heutzutage Gold wert, wenn sie draußen waren, anstatt den ganzen Tag vor dem Computer zu hocken, um hirnlose Ballerspiele zu spielen. Er wollte gerade schon zu einem »Schwamm drüber« ansetzen, als der vierte – ein hochgeschosser schlaksiger, rothaariger Knabe – sich an seinen Spielkameraden vorbeidrängte und mit einer kratzigen Stimmbruchstimme sagte: »Is was Opa?«
    Maus blieb für einen Augenblick bei dieser Frechheit der Mund offen stehen.
    Der Junge grinste breit: »Wir spielen, wo’s uns passt!«, diesmal schwankte seine Stimme ins Höhere, was der ganzen Situation noch mehr den Charakter eines Zwergenaufstands gab. Maus musste wider Willen ein Schmunzeln unterdrücken.
    »Burschi, du bist ja ein ganz Harter! Und glaub mir, ich kenn mich damit aus, denn ich bin nicht umsonst Hauptkommissar bei der Polizei.«
    Die Erwähnung seines Berufes verfehlte nicht die beabsichtigte Wirkung. Der Rothaarige wurde blass unter seinen Sommersprossen. Maus beugte sich zu ihm vor, ein eingefrorenes Lächeln auf den Lippen, und knurrte leise: »Woast wos. Ich bin heut nicht
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