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Der Seher des Pharao

Der Seher des Pharao

Titel: Der Seher des Pharao
Autoren: Pauline Gedge
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dumm. Gut. Wir sollten uns jetzt für den letzten Abend mit Thutmosis anziehen. Ich werde ihm meinen Entschluss mitteilen.« Aber sie blieb mit gesenktem Kopf auf dem Boden sitzen. Er beobachtete sie mit einer Mischung aus Hilflosigkeit und Selbsthass.
    Nach dem Abendessen mit Wein und lockerem Geplauder entschuldigte sich Huy und verließ das Schiff für einen kurzen Spaziergang am Ufer. Als er wieder an Deck kam, saßen die beiden schweigend da. Ischat starrte in ihren Becher, Thutmosis sah Huy bedrückt an. »Ischat ist dir sehr treu ergeben«, sagte er mit schwerer Zunge, während sich Huy auf einem der Kissen niederließ. »Hat sie mir eine ehrliche Antwort gegeben?«
    »Ischat ist einer der ehrlichsten Menschen, die ich kenne«, erwiderte Huy verlegen. »Ihre Antwort ist ehrlich. Es quält sie, dich zu verletzen, und mir tut es weh, dass du enttäuscht bist, Thutmosis. Ihr seid beide meine Freunde. Ich möchte, dass keiner von euch leidet.« So wie ich leide, fügte er stumm hinzu. Liebe ist schmerzhaft, wenn sie nicht erwidert wird. Dann blutet das Herz, und der Gram macht die Seele krank. Es ist besser, wenn du nicht erfährst, Thutmosis, dass ich der Grund für Ischats offene Wunde bin und die, die Anuket in mir verursacht hat, sich noch nicht schließen lässt.
    »Dann muss ich das im Moment akzeptieren«, sagte Thutmosis. »Vielleicht ändert sie im Lauf der Zeit ihre Meinung.«
    »Bitte, sprecht nicht über mich, als wäre ich nicht da«, schaltete sich Ischat ein. »Thutmosis, deine Zuneigung zu mir berührt mich zutiefst. Huy, ich bin da, solange du mich brauchst.« Sie leerte ihren Becher und stand auf. »Es war herrlich, ein paar Tage lang wie eine Adelige zu leben, aber jetzt ist es an der Zeit, wieder in meinen Stand zurückzukehren. Nochmals vielen Dank, Edelmann. Ich freue mich darauf, deine Briefe zu lesen.« Beide Männer erhoben sich ebenfalls. Thutmosis umarmte sie mit angespanntem Gesicht. »Mögen die Sohlen deiner Füße immer fest sein«, verabschiedete sie ihn mit dem altehrwürdigen Segen für Reisende und küsste ihn auf die Wange. »Huy, ich warte am Ufer auf dich.«
    Thutmosis sah ihr nach, wie sie über den Steg ging und dann aus dem Lichtkreis der Schiffslampen verschwand. Er drehte sich zu Huy um. »Egal, was sie sagt, ich werde bei jeder Gelegenheit mit Vater über sie sprechen. Meine Gefühle für sie werden sich nicht ändern. Bedenk das, wenn du andere Diener hast, die dich versorgen, und es ihr freisteht, meinen Antrag zu überdenken. Dann werde ich offiziell bei ihren Eltern um sie anhalten, die sicher vor Freude darüber umfallen, dass ihre Tochter in den Adelsstand aufsteigt.«
    Huy sah ihn fragend an. »Betrachtest du dich als jemanden, der ihr eine große Gnade zuteil werden lässt? Lässt du dich zu ihr herab, Thutmosis?«
    »Götter, nein! Dafür solltest du mich besser kennen! Habe ich mich je zu dir herabgelassen?«
    »Nein. Aber ich musste das fragen. Gut. Ich werde dich sehr vermissen. Schreib mir auch.«
    »Wird gemacht.«
    Huy stand schon mit einem Fuß auf dem Steg, ehe er sich traute, die Frage zu stellen, die ihm seit der Ankunft des Freundes auf der Seele lag. »Thutmosis, wie geht es Anuket? Ist sie gesund?«
    Thutmosis sah ihn grimmig an. »Sie ist gesund und glücklich, aber ihr Ehemann ist es nicht. Ich wünschte, du könntest sie vergessen, Huy. Leb wohl. Es war herrlich, dich wiederzusehen.« Er verschwand abrupt in der Kabine, und Huy ging den Steg herunter. Ich wünschte das auch, dachte er, als er sich neben Ischat in die Sänfte setzte und die Träger losgingen. Manchmal ist das der Fall, aber dann bringen ein bestimmter Sonnenstrahl, ein bestimmter Geruch, selbst ein zufälliges Wort sie samt einer Sturzflut von Erinnerungen zu mir zurück. Und ich sehe sie in deinen Zügen und Gesten, mein teurer Thutmosis. Er spürte Ischats Hand auf seinem Arm.
    »Huy, ist alles in Ordnung?«, fragte sie. »Du hast gestöhnt.«
    »Ich habe zu viel gegessen und bin müde, das ist alles«, antwortete er schleppend.
    Für den Rest des Heimwegs schwiegen sie.
    In den nächsten beiden Monaten stürzte sich Huy in die Arbeit. Meist behandelte er die üblichen Unfälle der Erntezeit, aber einige Male kam er auch in Häuser, wo er zuvor ein anderes Familienmitglied geheilt hatte. Die neuen Erkrankungen waren den vorigen unheimlich ähnlich. Ein Bauer etwa, dessen verletztes Bein geschwollen und schwarz von Uchedu gewesen war, hatte die Behandlung durchgeführt, die Huy
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