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Der Seewolf

Der Seewolf

Titel: Der Seewolf
Autoren: Jack London
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sicher gefesselt.«
    Schaudernd schüttelte sie den Kopf. »Nein, nicht so. Es muss eine weniger brutale Methode geben. Lassen Sie uns noch warten.«
    Wir brauchten nicht lange zu warten, denn das Problem löste sich von selbst.
    Während Maud und ich am nächsten Vormittag an Deck beschäftigt waren, erschien Wolf Larsen. Er kam uns gleich merkwürdig vor. Seine Bewegungen wirkten noch unsicherer als sonst. Plötzlich schwankte er, wischte sich über die Augen und brach wenige Meter von uns entfernt auf den Planken zusammen.
    Wir liefen zu ihm hin, aber er schien das Bewusstsein verloren zu haben und atmete stoßweise. Maud kniete sich neben ihn hin und hob seinen Kopf an. Sie bat mich ein Kissen zu holen.
    Ich brachte auch Decken mit, sodass wir ihn bequem lagern konnten. Als ich seinen Puls fühlte, schlug er normal und ich stutzte.
    »Vielleicht verstellt er sich nur«, sagte ich.
    Maud schüttelte den Kopf und sah mich vorwurfsvoll an. Genau in diesem Moment entzog er mir seine Hand und umklammerte mein Handgelenk wie ein Ring aus Stahl. Ich schrie laut auf. Da gewahrte ich seinen triumphierenden, bösartigen Blick. Schon packte sein anderer Arm nach mir und zog mich unerbittlich zu sich hinab. Er hielt meine Arme so fest, dass ich mich nicht rühren konnte, und fuhr mir mit seiner freien Hand an die Kehle.
    Ich Idiot! Warum hatte ich mich in seine Nähe gewagt?
    Auf einmal sackte der Mann unter mir zusammen. Er stöhnte. Die Hand um meine Kehle löste sich. Er verlor das Bewusstsein.
    Ich rollte von Wolf Larsens Körper herunter und blieb auf dem Rücken liegen. Ich blinzelte ins Sonnenlicht. Neben mir stand Maud, blass, aber gefasst. Jetzt lächelte sie mich erleichtert an. Sie hielt einen schweren Robbenknüppel in ihrer Hand. Meine Frau, meine Gefährtin ...
    »Liebe Frau«, rief ich und rappelte mich hoch. Im nächsten Moment hielt ich sie in meinen Armen und streichelte ihr Haar, während sie hemmungslos weinte. Die Sonne setzte Glanzlichter darauf. Entzückt beugte ich meinen Kopf und küsste ihr Haar so sachte, dass sie es nicht spürte.
    Maud löste sich aus meiner Umarmung und machte sich an dem Kissen zu schaffen.
    »Jetzt ist er hilflos«, meinte sie. »Und das soll er auch bleiben. Von heute an wohnen wir in der Kajüte und Wolf Larsen im Zwischendeck.«
    Ich packte ihn unter den Schultern und schleppte ihn zur Brücke. Dann brachten wir ihn mit vereinten Kräften zu einer Koje. Mir fielen die Handschellen ein, mit denen er manchmal einen Matrosen gefesselt hatte. Sie waren schnell gefunden.
    Als wir Wolf Larsen verließen, lag er an Händen und Füßen gefesselt in der Koje. Das erste Mal seit langer Zeit konnte ich wieder frei atmen. Mir war so leicht zumute, als hätte jemand einen schweren Sack von meinen Schultern genommen. Und die Beziehung zwischen Maud und mir war noch enger geworden.

Wir zogen sofort auf die Ghost um, nahmen unsere ehemaligen Kabinen in Besitz und kochten in der Kombüse. Da jetzt ständig nasskaltes und stürmisches Wetter herrschte, fühlten wir uns an Bord sehr wohl.
    Wolf Larsens Zustand hatte sich durch seinen zweiten Anfall weiter verschlechtert. Als Maud ihm etwas zu essen brachte, reagierte er nicht auf ihre Worte. Er lag auf der linken Seite und hatte offensichtlich Schmerzen. Dann rollte er sich unruhig herum, sodass sein linkes Ohr oben lag. Plötzlich antwortete er auf Mauds Fragen.
    »Wissen Sie, dass Sie auf dem rechten Ohr taub sind?«, fragte ich ihn.
    »Ja«, sagte er leise, aber gefasst, »und schlimmer als das! Es hat meine gesamte rechte Körperhälfte erwischt. Ich kann weder den Arm noch das Bein bewegen.«
    »Spielen Sie uns mal wieder etwas vor?«, fragte ich ärgerlich.
    Er schüttelte den Kopf und verzog den Mund auf merkwürdige Weise. Seine linke Gesichtshälfte lächelte, die rechte blieb völlig starr.
    »Das war die letzte Vorstellung des Wolfes«, sagte er. »Ich bin gelähmt. Ich werde nie wieder laufen können. So ein Pech! Ich hätte Sie gern erledigt, Hump, aber nicht einmal dazu reicht es mehr.« »Warum wollten Sie mich erledigen?«, fragte ich erschrocken, aber neugierig.
    »Ach, einfach, um mich lebendig zu fühlen. Um der Größte zu sein. Auf diese Weise zugrunde gehen ...«
    Er versuchte wohl mit den Schultern zu zucken, aber nur die linke bewegte sich.
    »Woher rühren Ihre Schwierigkeiten?«, fragte ich. »Können Sie sich das erklären?«
    »Im Kopf«, antwortete er sofort. »Die verfluchten Kopfschmerzen ...«
    »Symptome«,
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