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Der Schwur

Der Schwur

Titel: Der Schwur
Autoren: Astrid Vollenbruch
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mein Geld im Rucksack vergessen«, stammelte Sonja. »Kannst du mir etwas leihen? Ich geb’s dir gleich am Montag zurück!«
    Melanie runzelte die Stirn. »Nee, du, tut mir leid, das geht nicht. Ich habe den anderen versprochen, sie zum Eis einzuladen. Musst halt zurückfahren und dein Geld holen. Du findest uns schon. Bis später – und beeil dich!« Und damit warf sie ein paar Münzen in den Automaten, zogihre Karte, schob sich durch das Drehkreuz am Eingang und lief den beiden anderen nach.
    Wie gelähmt sah Sonja zu, wie Nele und Annika sich verwundert nach ihr umschauten. Annika fragte etwas, Melanie zuckte die Achseln und antwortete ihr, und Nele lachte. Dann gingen die drei weg und verschwanden in der Menge, ohne sich auch nur einmal nach Sonja umzudrehen.
    »Willst du hier anwachsen?«, fuhr ein schwitzender Mann sie barsch an. Sie wich aus. Ein paar Leute in der Schlange schauten zu ihr hin, jemand grinste.
    Sonja drehte sich um und ging zu ihrem Fahrrad zurück. Die Lust zum Schwimmen war ihr gründlich vergangen. Und während sie zur Schule zurückfuhr, wusste sie schon, dass Melanie nie wieder mit zum Waldhof kommen würde. Jedenfalls nicht mit ihr.
    Sie tauschte den Schwimmbeutel gegen den Rucksack aus und machte sich auf den Weg zum Wald.
    Der ›Waldhof Frickel‹ lag dicht hinter dem Waldrand. Er war kein richtiger Hof, sondern bestand nur aus einem hässlichen grauen Wohnhaus und zwei Blechbaracken, in denen die Tiere mehr schlecht als recht untergebracht waren. In einer der Baracken hausten die Ziegen Susi und Bombe und das Schaf Wilhelmine, in der zweiten Micky und Bjarni, die beiden Ponys einer undefinierbaren Rasse. Früher hatte es auch einmal einen Schuppen mit ein paar Meerschweinchen und Kaninchen gegeben, aber die waren nach und nach von Füchsen und Mardern geholt worden, sodass der Schuppen jetzt leer stand und vor sich hinmoderte.
    Sonja und Melanie hatten den Hof vor drei Jahren bei einem Spaziergang im Wald entdeckt. Es war nichts los, außer ihnen gab es keine Besucher, und damals hatten siesich sehr darüber gefreut. Keine anderen Kinder, die ihnen die Meerschweinchen aus den Händen rissen oder die Ponys für sich beanspruchten – klasse! Aber nachdem sie angefangen hatten, regelmäßig dort auszuhelfen, hatten sie rasch gemerkt, dass der Waldhof ohne Besucher nicht überleben konnte. Immer war zu wenig Geld für Futter und Stroh da, der Hufschmied kam nur noch, wenn er auch sofort bezahlt wurde, der Tierarzt kam überhaupt nicht mehr. Und Karl Frickel kümmerte sich nicht um seine Tiere. In der Woche warf er ihnen schon mal Futter hin, aber am Wochenende war er oft nicht da. Das Ausmisten überließ er grundsätzlich den beiden Mädchen, die sich damit das Reiten verdienten.
    Sonjas Eltern, die als Pfleger im Schichtdienst in der psychiatrischen Klinik arbeiteten und sich wenig um ihre Kinder kümmerten, glaubten immer noch, dass ihre Tochter im Waldhof »Reitstunden« erhielt, die sie von ihrem Taschengeld bezahlte. Sie hatte ihnen nie erzählt, dass sie fast die ganze Zeit mit Füttern und Ausmisten verbrachte und beim Reiten mit Melanie und den beiden Ponys allein war. Sie fand es ganz in Ordnung so – niemand redete ihnen dazwischen, und es war fast so, als hätte sie fünf eigene Haustiere. Zu Hause durfte sie ja nicht einmal einen Laubfrosch haben.
    Sie erreichte den Waldrand und betätigte kräftig die Fahrradklingel, damit Micky und Bjarni wussten, dass sie kam. Aber die Ponys schienen sie nicht gehört zu haben, denn es kam keine Antwort. Sonja fuhr einen Abhang hinunter auf den Waldweg und klingelte noch einmal. Alles blieb still. Sie runzelte die Stirn und trat stärker in die Pedale.
    Schon von Weitem sah sie das alte, abgeblätterte Holzschild mit der Aufschrift »Waldhof« am Zaun. Hier imWald war es immer friedlich, aber als Sonja durch das Holztor auf den Hof fuhr, wurde ihr die Stille plötzlich unheimlich. Noch nie war sie ganz allein hergekommen. Ob die Tiere gemerkt hatten, dass etwas nicht stimmte? Die Ziegen meckerten nicht, das Schaf blökte nicht, und auch Micky und Bjarni schlugen nicht wie sonst ungeduldig mit den Hufen gegen die Stalltür. Sonja lehnte ihr Rad gegen den Zaun und schaute sich um. Keins der Tiere war auf der Weide. Der alte Opel, mit dem Karl Frickel durch die Gegend fuhr, war verschwunden. Obwohl das nichts Ungewöhnliches war, fröstelte Sonja plötzlich.
    »Was ist denn hier los?«, murmelte sie und rief laut: »Bjarni! Micky!«
    Nur
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