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Der Schwur der Ritter

Der Schwur der Ritter

Titel: Der Schwur der Ritter
Autoren: Jack Whyte
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Frankreich zurückkehren können. Doch diese Hoffnung wurde zunichte gemacht, und so haben wir begonnen, uns der veränderten Welt anzupassen, in der wir heute leben.« Er holte tief Luft. »Nun habe ich von einer letzten grauenvollen Veränderung erfahren, die uns endgültig zu Verbannten macht. Am achtzehnten März dieses Jahres wurde unser geliebter Großmeister Sir Jacques de Molay in Paris bei lebendigem Leibe verbrannt. Der Mord wurde auf Befehl Philipp Capets als öffentliches Spektakel inszeniert.«
    Er wiederholte St. Omers Schilderung der entwürdigenden Grausamkeit bis hin zu de Molays letztem Fluch.
    »Nun steht es also fest. Das Ende unseres noblen Meisters bedeutet gleichzeitig das Ende unseres noblen Ordens. Was bleibt, sind unsere Ehre und unsere Ideale, unser ungebrochener Geist. In den Augen der Welt mag unser Orden tot sein, doch solange auch nur einer von uns seine Traditionen aufrechterhält, wird er weiter existieren. Dies ist mein Gelübde vor euch: Wir werden überleben und gedeihen, und der Tag wird kommen, an dem sich dieser Orden wieder erheben wird, um das Andenken seines letzten wahren Großmeisters zu ehren. Lasst uns daher als unseren letzten gemeinsamen Akt das ›Dies Irae‹ singen.«
    Bischof Formadieu erhob sich auf der westlichen Kanzel, um das Requiem anzustimmen, und bis zum Ende der letzten Zeile hatte die ganze Versammlung eingestimmt. Will, der die Musik genoss, aber nicht gern selbst sang, sah den Toten noch einmal vor seinem inneren Auge stehen und begriff, wie passend der Text der Hymne doch war: Tag der Rache, Tag der Sünden, wird das Weltall sich entzünden!
    Als der Gesang endete, legte Will beide Hände auf die Tasche.
    »Doch auch ohne diese Schreckensnachricht wäre heute kein Tag der Freude gewesen. Wenn wir auseinandergehen, werden viele von euch auf das Festland übersetzen, um König Robert zur Seite zu stehen, der seiner größten Herausforderung entgegengeht. Edward von Caernarvon hat zwanzigtausend Mann um sich gesammelt, die darauf warten, gen Schottland zu marschieren. König Robert wird sich ihnen vor Stirling entgegenstellen, denn dies ist der einzige Engpass auf ihrer Route nach Schottland und vielleicht der einzige Ort, an dem man sie aufhalten kann. Dennoch werden die Engländer vernichtend in der Überzahl sein.«
    Er öffnete die schwarze Tasche und zog das Emblem mit dem alles sehenden Auge auf der Spitze einer Pyramide hervor, das sein Amtssymbol als Mitglied des Rates war. Er hielt es hoch, sodass es jeder sehen konnte.
    »Ich habe dieses Zeichen meines Amtes gestern Nacht abgelegt und damit auch meinen Posten als Mitglied des Tempelrates – eines Rates, den es nicht mehr gibt. Der Mann, der jetzt zu euch spricht, ist einfach nur Sir William Sinclair, einer von euch – nicht mehr und nicht weniger. Ein Mann, der genug davon hat, denen, die ihn schlagen, auch noch die andere Wange hinzuhalten. Wir haben unser Schicksal viel zu lange klaglos hingenommen.«
    Unter dem erstaunten Murmeln der Männer griff er noch einmal in die Tasche und zog ein Stück Stoff hervor, das er auseinanderfaltete und hochhielt. Die untere Hälfte war schwarz gefärbt, die obere weiß.
    »Ich vermute, dass die meisten von euch nicht wissen, was das ist, daher will ich es euch sagen: Dies war unser erstes Banner, bevor wir uns das Kreuz zu eigen gemacht haben. Es war die erste Standarte der Templer. Es steht für den Wandel vom Schwarz der Umnachtung hin zum Weiß der Erleuchtung. Ein Symbol, das ebenso schlicht wie vielsagend ist.«
    Er ließ die Arme sinken und blickte auf das Banner, dann hob er es noch einmal hoch und breitete die Arme aus.
    »Ich habe dieses Banner einst von Meister de Molay persönlich bekommen – und jetzt trage ich es nach Stirling, um es für Robert Bruce zu hissen. Und ich werde dort als Templer Farbe bekennen, die weiße Farbe der Weisheit und das schwarze Kreuz. Ich habe genug davon, mich zu verkriechen. Dieser König von Schottland will ein letztes Mal Flagge zeigen, und ich werde an seiner Seite stehen und dem Papst und seinen Königen trotzen.«
    Noch bevor er fertig war, setzte lauter Beifall ein, und er wartete reglos mit erhobenen Armen ab, bis er verhallte.
    »Werdet ihr mit mir kommen?«
    Dieses Mal brach die Hölle los, und überall fielen sich die Männer in die Arme. Schließlich verstummten sie und sahen ihn erwartungsvoll an.
    »Hört mich an. Keine roten Kreuze, denn dies ist kein Kreuzzug.« Er faltete das Banner sorgsam
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