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Der Schwur der Ritter

Der Schwur der Ritter

Titel: Der Schwur der Ritter
Autoren: Jack Whyte
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wandten sich einander zu, wobei sich plötzlich fast ihre Nasen berührten. Das wiederum war zu viel Nähe, und Will fuhr zurück. Im ersten Moment sagte keiner von ihnen etwas. Dann brach Jessie das Schweigen.
    »Ich glaube, ich habe Euch noch nie zuvor lachen gehört.«
    Will holte tief Luft und wandte sich ab, um in der sicheren Entfernung seines Sessels Platz zu nehmen. Jessie setzte sich ebenfalls und betrachtete ihn aufmerksam.
    »Das kann ich gar nicht glauben«, sagte er seufzend. »Wie lange kennen wir uns jetzt schon?«
    »Wir sind uns vor sechs Jahren in La Rochelle begegnet.«
    »Das klingt ja, als wäre ich … als wäre ich … puh!«
    »Ein grimmiger Ritter, den ich einmal kannte, ein Templer der niemals gelächelt hat, von lachen ganz zu schweigen. Wisst Ihr noch, wann Ihr das letzte Mal so gelacht habt, dass Euch die Rippen schmerzten?«
    Bevor er antworten konnte, erscholl irgendwo im Haus eine ausgelassene Frauenstimme.
    »Marjorie! Dieses Kind ist wirklich …« Schritte rannten durch das Haus, und Jessie sprang auf. »Ich schwöre, seit dieser Junge hier eingezogen ist, weiß niemand mehr, was Anstand ist. Marie und Janette sind auch nicht besser. Bitte wartet hier auf mich; ich muss mich darum kümmern.«
    Mit einem Blick, in dem sich Ärger und schulterzuckende Belustigung miteinander vermischten, wandte sie sich ab. Sie ließ die Tür offen, und er hörte, wie sie sich oben mit erhobener Stimme Gehör verschaffte, dann leiser wurde, bis er sie nicht mehr hören konnte. Erst jetzt lehnte er sich entspannt zurück und sah sich um. Das Haus mochte ja ihrem Neffen gehören, doch dieses Zimmer trug eindeutig ihre Handschrift. Sie spiegelte sich wider in den Kerzen, den Kissen und den Tischdecken genauso wie in den Gefäßen mit allerlei üppigen Pflanzen, die auf fast jeder waagerechten Oberfläche standen. Und ihm gefiel das alles, es rührte ihn an, er fühlte sich wohl!
    Er dachte an die gar nicht so weit zurückliegende Zeit, in der er überzeugt gewesen war, dass ihn die Frau verhext hatte, was vielleicht ja gar nicht so falsch war. Doch damals wäre er gewiss zu einem Priester gelaufen und hätte sich die Absolution von seinen sündigen Gedanken geholt. Heute jedoch verspürte er lediglich prickelnde Neugier darauf, wie es weitergehen würde. Der Mönch, der er einmal gewesen war, gehörte unwiderruflich der Vergangenheit an. Daran waren die dramatischen äußeren Umstände schuld, jedoch auch die Zersetzung der inneren Werte zahlreicher Templer-Gemeinschaften. Das alles hatte nichts mit Hexerei zu tun. Er hatte sich den Notwendigkeiten angepasst, hatte sich entwickelt, war tatsächlich ein anderer geworden. Nun stellte er einen kampferprobten Mann in der Blüte seiner Jahre dar – mit der erwartungsvollen Freude eines unerfahrenen Jungen.

5
    I
    N DER STILLE heulte ein Wolf, ein langgezogenes Klagen, das aus der Ferne zu ihm drang. Schritte auf dem Hof und die Frage nach dem Passwort verkündeten die Ablösung der Nachtwache. Das Feuer im Kamin war in sich zusammengesunken, und mehrere Kerzen standen kurz vor dem Erlöschen. Will stand auf und schritt zum Tisch hinüber, um sie mit angefeuchteten Fingern auszudrücken. Dann legte er frisches Holz auf das Feuer … und hatte den Fuß mit dem makellosen Schuh schon erhoben, um die Scheite ganz hineinzustoßen, als er sich in letzter Sekunde besann und ihnen stattdessen einen kräftigen Schubs mit der Hand gab.
    Gedankenverloren saß er in seinem Sessel, als Jessie zurückkehrte.
    »Ihr seid ja noch hier. Ich dachte schon, Ihr wärt des Alleinseins müde geworden und zu Bett gegangen.«
    »Ganz und gar nicht. Ich habe über so vieles nachzudenken. Wollt Ihr Euch zur Ruhe begeben?«
    »Nein, noch nicht, es sei denn, Ihr möchtet gern allein sein.«
    »Nicht doch«, wehrte er ab, und lächelnd nahm auch sie wieder Platz. »Habt Ihr die Meuterei unter Kontrolle gebracht?«
    »Oh, aye. Diese jungen Leute sind ein Segen Gottes, doch hin und wieder muss ich sie ein wenig bändigen. Ich habe Marjorie und Henry zu Bett geschickt, und Marie und Janette haben noch Garn für den Webstuhl zu spinnen. Worüber denkt Ihr denn nach?«
    »Über die vielen Veränderungen in meinem Leben.« Er sah sie an. »Und über Euch. Über Euren Wunsch, uns zu begleiten, wenn wir unsere große Reise antreten. Wie seid Ihr nur auf diese Idee gekommen?«
    »Ihr habt doch miterlebt, was heute hier geschehen ist. Ich würde lieber in der Ungewissheit Eures unbekannten Merica
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