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Der Schwimmer: Roman (German Edition)

Der Schwimmer: Roman (German Edition)

Titel: Der Schwimmer: Roman (German Edition)
Autoren: Zsuzsa Bánk
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Hund und den Vögeln hinterher. Kein Hund jagt Tauben, sagte mein Vater, als wir ihm davon erzählten.

    Seit der Sache mit den Fischen waren wir anders. Wenn in der Küche ein Glas auf den Boden fiel und zersprang, glaubte ich, es sei passiert, weil ich es dort abgestellt hatte. Ich hatte angefangen, mir meine Träume zu merken, sie zu sammeln. Mindestens zehn konnte ich Isti erzählen. Ich setzte sie immer wieder neu zusammen, schmückte sie aus, spann sie in Geschichten ein, die ich mir ausdachte. Ich ging ins Bett, um zu träumen, um am nächsten Morgen mit einem Bild, mit einem Gefühl aufzuwachen, das ich ansonsten vergeblich suchte. Oft lag Isti auf dem Rücken, die Arme unter der Brust verschränkt, und war nicht ansprechbar. Er schien mit geöffneten Augen zu schlafen. Zsófi hatte ihn einmal so erlebt und ihn daraufhin zum Dorfarzt geschickt. Seitdem nahm Isti jeden Tag Tropfen aus einer kleinen Flasche. Vielleicht gab er sie auch dem Hund oder ließ sie vom Löffel in den Schmutz fallen, jedenfalls änderte sich nichts an Istis Art, sich zu benehmen, auch als die Flasche mit der Medizin längst schon leer war. Sobald es abends dämmerte, streunte Isti oft durch die nahen Wälder und kehrte erst tief in der Nacht oder am nächsten Morgen erschöpft zurück. Mein Vater verlor kein Wort darüber, und es war gut so. Wir wußten nicht, was Isti tat.

    Zsófi hatte Arbeit an der Zugstation. Sie putzte dort Waggons. Manchmal nahm sie uns mit, und Isti und ich tobten durch die leeren Züge. Wir knallten Türen, rissen Fenster auf, sprangen auf Sitze. Zsófis Mann Pista reparierte die Traktoren der Umgebung, fuhr morgens mit dem Fahrrad nach Szerencs und kehrte mit einem Traktor zurück, den er im Hof abstellte. Er hatte schwarze Fingernägel und nahm Schrauben und Schlüssel aus einer Tasche, die Zsófi auf seine Hose genäht hatte. Als Isti und ich Ratten im Schuppen entdeckten, erklärte Pista, wenn wir Fallen aufstellen, werden sie wiederkommen, wir müssen ihnen mit einer heißen Nadel in die Augen stechen. Er legte eine Nadel neben die Herdflamme, und als sie glühte, versteckten Isti und ich uns auf dem Heuboden.

    Mein Vater arbeitete auf dem Hof. Manchmal ging er auch mit Pista und Jenő und sie fanden Arbeit auf den nahen Feldern. Mit Pista und Zsófi trank er abends ein paar Flaschen leer, und ich hörte ihre Stimmen vom Bett aus. Du wirst eine andere Frau finden, du siehst gut aus, sagte Zsófi, und Pista fragte, was braucht er eine Frau, die ihm wegläuft? Später erfuhr ich, Pista hatte mit seiner Schwester kein Wort mehr gesprochen, nachdem sie sich hatte scheiden lassen, aber seinen Schwager hatte er weiterhin empfangen. Als Zsófi einen Mantel mit Pelzkragen erbte, sagte Pista zu ihr, jetzt kannst du dich auch raus auf die Straße stellen. Den Mantel hat sie nie getragen.

    Sonntags beim Essen suchte man nach Worten. Zsófi teilte die Speisen aus, stellte sich neben den Tisch und schaute uns dabei zu, wenn wir schweigend die Teller leerten. Sie aß nie mit uns. Sie glaubte, wer kocht, kann nicht auch essen, nicht an dem Tisch, zu dem er das Essen trägt. Wenn sie den Kaffee aufsetzte und den Likör brachte, zog Pista Jenő am Ohr zum Klavier, forderte, spiel uns was, und Jenő stolperte hinter seinem Vater her, setzte sich ans Klavier, ließ den Deckel so fallen, daß wir erschraken, öffnete ihn wieder und fing an zu spielen. Dabei preßte er seine schmalen Lippen aufeinander, so sehr, daß sie nicht mal mehr als Strich zu sehen waren. Nach jedem Stück fuhr er mit den Fingern einer Hand durch sein klebendes schwarzes Haar, auf dem sich kleine weiße Punkte wie Sand verteilten.

    Oft schickte uns Zsófi ins Dorf, um meinen Vater und Pista aus dem Wirtshaus zu holen. Wir brauchten lange. Wir kletterten auf Bäume, streunten durch fremde Gärten, bis uns ein Bellen verscheuchte, und nahmen Dinge mit, die uns nicht gehörten, nur um sie in den nächsten Graben zu werfen. Erst kurz bevor das Wirtshaus schloß, kamen wir an. Isti strich mit einer Hand über die schwarzen Rahmen der Fahrräder, die an der Mauer lehnten. Ich schnappte mir eins, drehte ein paar Runden auf dem Kirchplatz, und Isti versuchte unter einem Fenster, die Stimme unseres Vaters herauszuhören.

    Dort saß er, im Qualm der Zigaretten, der nach oben stieg, zwischen anderen, in ihren immer gleichen blauen oder grauen Anzügen, zog an seiner Selbstgedrehten, stieß den Rauch durch die Nase und sah aus, als höre er niemandem zu, nicht
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