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Der Schwimmer: Roman (German Edition)

Der Schwimmer: Roman (German Edition)

Titel: Der Schwimmer: Roman (German Edition)
Autoren: Zsuzsa Bánk
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Pista, nicht den Männern auf der Bank neben ihm, niemandem. Ich blieb mit Isti im Türrahmen stehen. Als mein Vater uns sah, stand er auf, kam auf uns zu, schob uns hinaus in die Nacht, setzte Isti auf den Gepäckträger und mich auf die Fahrradstange. Als wir losfuhren, atmete er schwer neben meinem Ohr und verströmte diesen Geruch, diese Mischung aus Zigaretten und Wein, die ich von ihm kannte, die ich von allen Männern kannte, die mich jemals auf dem Fahrrad mitgenommen hatten. Pista fuhr hinter uns und pfiff durch die Zähne. Er sagte, schaut hoch, Kinder, schaut euch diese Sterne an.

    Morgens dauerte es lange, bis Pista aus dem Bett kam. Er wälzte sich, er fluchte, er raufte sich die Haare, er war rot im Gesicht. Seit es hell geworden war, saß ich mit Isti in der Küche, und wir hörten auf die Uhr, die zu jeder Viertelstunde schlug. Zsófi schrie, wer kümmert sich um die Tiere. Ich sagte, ich kann es doch tun, und Zsófi zischte, ach du.

    Es war, als vermißten wir Manci. Manchmal dachte ich an die Töpfe, die sie auswischte, an ihre knisternden Handschuhe, nachts. Hin und wieder tröstete ich mich mit dem Gedanken, auf einen Zug zu springen und wegzufahren. Ich hätte Erzsis Zeitschriften in Kauf genommen, ihr Lachen, die grauen Wände, die Mauer vor dem Küchenfenster. Die Abfahrtszeiten kannte ich, die Uhr konnte ich lesen. Isti würde ich mitnehmen.

    Als Éva heiratete, bekam ich ein neues Kleid. Éva brachte es am Vorabend der Hochzeit und legte es so, wie es war, in Papier gehüllt, aufs Bett. Mit meinem Vater stand sie noch eine Weile im Hof, während ich mein Kleid auspackte und mit meinen Fingern über den Stoff strich. Meinen Vater hörte ich kaum. Nur Évas aufgeregte Stimme und wenig später, wie sie mit ihrem Auto davonfuhr. Ich lehnte mich aus dem Fenster. Mein Vater stand auf der Straße, hatte die Hände tief in die Hosentaschen gesteckt und schaute dem Wagen so lange nach, bis er hinter ein paar Bäumen verschwand. Dann lief er los, trat Steine vor sich her und wirbelte dabei so viel Staub auf, daß ich ihn nicht mehr sehen konnte.

    Am Morgen vor der Hochzeit machte Zsófi unsere Haare. Sie legte einen Lockenstab in den Ofen und nahm ihn dann mit einem dicken Tuch in die Hände. Rühr dich nicht, sagte sie, klappte den Lockenstab auf und klemmte Strähnen meiner kurzen Haare dazwischen. Ich saß regungslos, sah zu Boden, auf zwei Fliegen, die dort kreisten, und wagte nicht, mich zu beklagen, selbst als mir das Eisen am Kopf brannte. Auf dem Weg zur Kirche streute ich Blumen, große weiße Blüten. Fast das ganze Dorf schritt in einer langen Schlange hinter Braut und Brautvater her, vorbei an Pappeln, vorbei an den wenigen Kastanien. Wer nicht mit uns ging, stand am Gartenzaun und winkte. Andere folgten uns, als wir vorbeizogen, meinem Vater neben Isti, Jenő, Pista und den Männern aus dem Wirtshaus in einer der hinteren Reihen. Alle trugen dunkle Anzüge und weiße Hemden. Pista trug sogar einen Hut. Mein Vater hatte seit dem Morgen diesen Blick, mit dem er uns nicht mehr wahrnahm. Uns nicht, niemanden mehr.

    Im Hof von Karcsis Eltern hatte man eine große Tafel gedeckt. Drei Schweine waren in der Woche zuvor geschlachtet worden, dreimal hatte man ihr Blut in großen Töpfen aufgefangen. Karcsis Mutter hatte es gekocht, und Vater und Sohn hatten sich gestritten, wer zuerst davon kosten dürfe. Während wir die Suppe aßen, sang Évas Vater mit hochroten Wangen und wischte sich zwei, drei Tränen weg. Sein Kinn zitterte, und wenn seine Stimme versagte, nahm er einen Schluck Wein und sang dann weiter. Er öffnete die Arme, er sah aus, als wolle er die Welt anflehen, als wolle er sie umarmen. Er schaute zu seiner Frau, zu seiner Tochter und immer wieder zu den Ästen der Kastanie über unseren Köpfen, die so dicht wuchsen, daß sie den Himmel verdeckten.

    Ich fand, Éva war hübsch anzusehen. Ihre dunklen Haare hatte sie aufgesteckt, ein Schleier bedeckte ihre Schultern. Wenn sie sich setzte und dabei den Saum ihres Kleides hochzog, konnte ich ihre feinen weißen Schuhe sehen. Ihr Gesicht glänzte, und auf ihrem Nacken zeigte sich der erste rote Fleck wie der Abdruck eines Fingers. Karcsi neben ihr war bereits betrunken. Seine Lider hatten sich gesenkt. Zu sehen blieb das wäßrige, zerfließende Blau seiner Augen.

    Ich stellte mir die Hochzeit meiner Eltern vor. In unserem Kästchen lag ein Foto, meine Mutter in weißer Spitze, ihre Locken zusammengebunden, mein Vater ohne Bart,
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