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Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition)

Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition)

Titel: Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition)
Autoren: Shirley Waters
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gespreizten Fingern an die Brust. Dann taumelte er und trat ins Leere. Im Fallen drehte sich sein Leib und schlug mit einem grässlichen Geräusch halb auf den Felsen, halb im Sand auf.
    »Von dem da lasse ich mir doch meine Rache an Njal Eiriksson nicht nehmen!«, tönte Éamonn, schleuderte den Bogen von sich und ging auf Njal zu. Seine Rechte fuhr an den Griff seines Schwertes.
    Njal glaubte, sich verhört zu haben. Sein Blick glitt zwischen dem bewegungslos daliegenden Thorir und dem Iren hin und her. »Deine Rache?«, fragte er kalt. »Er war mein Bruder. Als solcher hätte er mich lieben sollen, natürlich, doch er hatte bedeutend mehr Recht, mich zu hassen, als du.«
    »Wikinger, ich werde dich …«
    Njal interessierte nicht, was Éamonn wollte. Achtlos stieß er ihn beiseite und lief zu Thorir. Dass es Caitlín ebenso wie Sif gut ging, die unverständlicherweise am Rand des Schlachtfeldes saßen, hatte er sich längst mit einem raschen Blick versichert. Er kniete an Thorirs Seite.
    Der Pfeilschaft steckte in der Brust seines Bruders, am Herzen – oder darin. Als Bogenschütze taugte der Ire anscheinend etwas. Njal umfasste den Schaft, unschlüssig, ob er ihn ziehen sollte. Thorir war ohnehin nicht mehr zu retten.
    »Du hättest wissen müssen, dass am Ende deiner Feindschaft der Tod steht, Bruder«, sagte Njal leise. »Auch wenn es überraschend ist, dass du nicht durch meine Hand gestorben bist. Nichts davon hätte sein müssen. Ich wollte den Thron unseres Vaters nicht. Ich wollte fort von hier – wie so viele andere Nordmänner auch. An die irische Küste. Du hättest mich einfach in Ruhe ziehen lassen sollen, statt mir ein Messer in den Rücken zu stoßen.«
    »Das … das hatte ich nie geplant«, erwiderte Thorir. Seine Stimme rasselte und sprudelte auf eine grässliche Weise; Blut rann ihm aus den Mundwinkeln. »Du hättest dich nicht … nicht … mir entgegenstellen sollen, wegen des Befehls Tryggvassons, die Klöster nicht zu … nicht …«
    Es schien, als wollte Thorir sich von der Seele reden, was sie bisher vergiftet hatte. Njal hörte schweigend zu.
    Thorirs Lippen bewegten sich fahrig. »Du hast mein Blut … in Wallung gebracht, deshalb … deshalb habe ich es getan.«
    »Und der Speer eben? Hast du ihn aus dem gleichen Grund geworfen?«
    »Ja. Dein … dein verfluchter … Stolz. Du bist doch nur … nur …«
    »Es scheint, du warst immer gierig nach dem Tod.«
    Fast unmerklich bewegte Thorir den Kopf. Blass war er, erschreckend blass. Schweiß lief ihm in Bächen die Schläfen hinab. In seinem Atem schwang bereits der Geruch des Sterbens mit. »Nein«, keuchte er und leckte sich über die trockenen Lippen. »Wie … wie kommst du darauf?«
    »Du wolltest unseren Vater vergiften.« Nur mit Mühe konnte sich Njal davon abhalten, Thorir am Hemd zu packen. Er wollte dessen Geständnis, rasch, bevor es zu spät war.
    »Was soll ich getan haben? Niemals!« Die Empörung verlieh Thorir letzte Kräfte. Er riss eine Hand hoch und packte Njals Arm. »Ich brachte … brachte ihm stärkende Mittel aus … Byzanz! So teuer war er mir …«
    Dann sackte sein Kopf jäh zur Seite, und Thorir verstummte. Njal ließ ihn los und erhob sich.
    »Wir sehen uns in Niflheimr wieder«, sagte er düster. Und es schien ihm, als würde Thorir ihm voller Verachtung antworten: Das werden wir nicht. Du wirst in Walhall einziehen. Du bist doch der Liebling der Götter. Ich war immer nur ein Neiding.
    Er fragte sich, ob er angesichts des Todes des Bruders nicht weinen sollte. Immerhin wusste er, dass er weinen konnte – aus Zorn hatte er es gelegentlich getan. Wie damals in der Abtei, als Caitlín ihn überrascht hatte. Die einzige Frau, die je seine Tränen gesehen hatte. Und sie würde auch die einzige bleiben. Er ging zu ihr. Sie hockte neben Sif im Sand. Unweit der beiden lag ein Ire, das gen Himmel ragende Schwert in der Brust.
    Njal hatte nicht gesehen, wer diesen Mann besiegt hatte. Und doch sagte ihm sein kämpferischer Instinkt, dass es Caitlín gewesen war. Ihr Körper war noch angespannt, zum Aufspringen und Weiterkämpfen bereit. Ihre sommersprossigen Wangen glühten; das Kupferhaar stand ihr wirr vom Kopf ab. Den Arm hatte sie schützend um Sif gelegt, die allerdings nicht so wirkte, als hätte sie eben noch Todesängste ausgestanden.
    »Du siehst aus wie eine erschöpfte Kriegerin«, sagte er und ging vor Caitlín in die Knie. Sie warf sich in seinen Arm. Mit dem anderen holte er Sif zu sich, und so hielt
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