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Der Schwarze Phoenix

Titel: Der Schwarze Phoenix
Autoren: Tom Becker
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Junge ist aus dem Spiel«, verkündete er. »Gibt es einen neuen Spieler, der seinen Platz einnehmen will?«
    Die kleine Menschenmenge hinter Jonathan schrie entsetzt auf, als zwei gut gekleidete Herren über seinen Körper hinweg stiegen, um den leeren Stuhl zu beanspruchen.Gerade als es so aussah, als ob der größere von ihnen das Rennen machen würde, versetzte ihm der kleinere einen hinterlistigen Schlag in die Nieren. Während sein Gegner sich krümmte und stöhnte, stieß ihn der kleinere Mann zur Seite und setzte sich vor Freude glucksend an den Tisch. Der Kartengeber mit den Fangzähnen seufzte und teilte eine neue Runde Karten aus.
    Jonathan erhob sich vorsichtig und verließ den mit Seilen abgesperrten Spieltisch. In seinen Haaren klebte Blut, er hörte ein dumpfes Rauschen in seinen Ohren und seine Schuhe quietschten bei jedem Schritt. Er wischte sich das Gesicht mit seinem Ärmel ab, ein sinnloser Versuch, der nur dazu führte, dass er sich noch mehr Blut auf die Wangen schmierte.
    Im Nachhinein betrachtet, war es vielleicht nicht die beste Idee gewesen, Gori zu spielen.

    Mitten in der Nacht war es ruhig in der Eingangshalle der »Blutspielbank«. Die professionellen Spieler würden erst in ein paar Stunden ihre Plätze einnehmen. Schwere violette Vorhänge waren vor die Fenster gezogen und im flackernden Schein der Gaslaternen wurden Karten verteilt und Wetten angenommen. Eine unterdrückte Verzweiflung machte sich breit. Schwitzende, zerknautscht aussehende Männer warfen mit irrem Blick in den leuchtenden Augen die Würfel,überzeugt, dass sie diesmal Glück haben würden. Massige Schlägertypen mit hochgekrempelten Ärmeln stapften durch den Raum und hielten grimmig Ausschau nach Spielern, die Geld gewannen. Gewinnen war eine Sache, den Ort lebend wieder zu verlassen, eine völlig andere.
    Jonathan kramte in seinen Taschen und zog seine Uhr hervor. Der Mann, den er erwartete, sollte mittlerweile eingetroffen sein. Während er sich seinen Weg zwischen den Tischen hindurch bahnte, ließ er seinen Blick durch die Halle schweifen. Zu seiner Rechten drohte an einem Blackjack-Tisch das Spiel in eine Schlägerei auszuarten, als der Kartengeber einen der Spieler auf den Kopf schlug. Am anderen Ende des Raums klammerten sich einige Spieler panisch aneinander, während der Mitarbeiter der Spielbank nochmals – und vielleicht letztmalig – das Unglücksrad drehte. Hin und wieder drang ein Schmerzensschrei vom Roulettetisch herüber, an dem die Kugeln die unangenehme Eigenart besaßen, von der sich drehenden Scheibe direkt in die Augen der ahnungslosen Spieler zu springen. In dieser Umgebung half es Jonathan sogar, vor Blut zu triefen, denn so konnte er unauffällig mit dem Hintergrund verschmelzen. Hätte er versucht, woanders in London so herumzuspazieren, hätte man ihn sofort eingesperrt. Aber zum Glück befand er sich in Darkside. Hier war alles anders.
    Als er an einem weiteren lärmenden Glücksspiel vorbeiging, entdeckte er den Mann, den er gesucht hatte. Ein elegant gekleideter Herr mit einem glänzendensilbernen Spazierstock, der mit verächtlichem Blick durch die Halle stolzierte: Lorcan Bracket, einer der talentiertesten Hochstapler von Darkside. Der Betrüger steuerte auf die Mitte des Raums zu, in der sich eine Wendeltreppe wie ein stählerner Finger über dreißig Meter hoch in die Luft reckte. Auf den ersten Blick sah es so aus, als befände sich die Treppe noch im Bau und führte ins Nirgendwo, tatsächlich aber bildete sie den einzigen Zugang zum legendärsten und gefährlichsten Spiel der Blutspielbank: »Absturz«.
    Jonathan musste seinen Kopf weit nach hinten neigen, um hoch oben unter der gewölbten Decke gerade noch die abgehängte Plattform erkennen zu können, die wie ein fliegender Teppich durch die Luft zu schweben schien. Ein Bündel Stahlseile verband sie mit einem Motor, der auf einer an der Decke montierten Schiene entlanglief und die Plattform antrieb. Jonathan wusste, dass dort oben eine Gruppe Glücksspieler saß, die mit dem höchstmöglichen Einsatz spielten. Die Regeln von »Absturz« waren verflixt kompliziert, aber es gab eine simple Tatsache, um die die Gedanken aller Spieler kreisten: Wenn man es schaffte, alle Gegner von der Plattform zu stoßen, dann gehörten einem alle Einsätze. Betrügereien und Beschimpfungen wurden ausdrücklich gefördert und das Treiben glich oftmals mehr einer Randale in luftiger Höhe denn einem Spiel.
    Bracket stieg mit federnden Schritten
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