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Der Schwarze Phoenix

Titel: Der Schwarze Phoenix
Autoren: Tom Becker
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seinem zerknitterten Anzug konnte man erkennen, wie sich die Muskeln spannten und anschwollen. Als er schließlich wieder aufblickte, war sein Gesicht mit grauem Fell bedeckt, spitze Fangzähne blitzten auf, und sein Blick war hasserfüllt. Er war kein Mensch mehr, sondern ein Werwolf. Brackets Handlanger hielten kurz inne und stürzten sich dann mit lautem Gebrüll auf ihn. Carnegie bellte zurück und schleuderte seinen Stuhl gegen sie, wobei er einen von ihnen mit solcher Gewalt vor die Brust stieß, dass er zu Boden fiel. Jonathan spürte, wie die Plattform erzitterte, und klammerte sich an eines der Stahlseile, um das Gleichgewicht zu halten. Unter sich sah er die Gäste der Blutspielbank, die weiterhin ihren höllischen Spielen nachgingen, ohne das Drama wahrzunehmen, das sich über ihren Köpfen abspielte.
    Sollte es Brackets Plan gewesen sein, Carnegie in die Enge zu treiben, so hatte er offensichtlich nicht mit dem Tempo gerechnet, das der Wermensch an den Tag legte. Als die Männer sich der Bestie näherten, stürzte diese sich mit solcher Wucht auf einen von ihnen, dass beide zu Boden gingen und von den anderen wegrollten. Die Schwerkraft ausnutzend, verpasste Carnegie im Fallen seinem Gegner noch einen so gewaltigen Tritt, dass dieser über den Rand der Plattform flog. Dass sein Partner derart schnell abgefertigt wurde, ließ den anderen Mann kurz zögern. Das war ein fataler Fehler. Blitzartig warf sich der Wermensch mit gefletschten Zähnen auf ihn und schwang die Klauendurch die Luft. Der Handlanger duckte sich und schlug mit den Armen um sich, aber gegen diesen geballten Ansturm konnte er sich nicht wehren: Der dumpfe Aufprall einer Pranke beförderte ihn in die Tiefe. Bracket fluchte und wich vor Carnegie zurück, seine Klinge immer noch auf ihn gerichtet. Während Carnegie ihn zurückdrängte, bemerkte Jonathan, dass der andere Handlanger, der von dem Stuhl getroffen worden war, sich wieder aufgerappelt hatte. Er schlich sich von hinten heran und holte mit einem Knüppel zum Schlag aus. Ohne weiter nachzudenken, senkte Jonathan seinen Kopf und stürmte auf ihn zu. Der Stoß traf den Handlanger völlig unvorbereitet, raubte ihm die Luft und ließ ihn zum Rand der Plattform stolpern. Panik erfüllte seine Augen, als seine Füße ins Leere traten und er verschwand. Einige Sekunden später ertönte ein lauter Aufprall, gefolgt von einem Schmerzensschrei.
    Carnegie wirbelte herum und starrte Jonathan an. In seinen Augen war keine Wiedersehensfreude zu erkennen, sondern nur blanker Hass. Dann drehte er sich wieder zu Bracket um. Der Hochstapler fuchtelte verzweifelt mit seiner Klinge vor der Nase des Wermenschen herum, der sie mit einer lässigen Handbewegung zur Seite wischte. Er packte Bracket an der Weste, stemmte ihn hoch und hielt ihn über den Rand der Plattform.
    »Ich flehe dich an … lass mich nicht fallen!«, stammelte der Mann.
    »Du weißt, was ich will. Gib mir den Ring.«
    Bracket wurde bleich. Carnegie seufzte und hielt ihn noch weiter über den Abgrund.
    »Bist ein ziemlich schwerer Junge. Kann dich nicht ewig halten.«
    »Warte!« Seine Hände durchwühlten verzweifelt seine Taschen. Schließlich zog Bracket einen schmalen Diamantring hervor und warf ihn in Jonathans Richtung.
    »Ist er das, Junge?«
    »Sieht ganz so aus.«
    »Gut.«
    Der Detektiv grinste Bracket ein letztes Mal wölfisch an und ließ seine Weste los. Schreiend raste Bracket in die Tiefe, wobei er wie ein Ertrinkender mit seinen Armen und Beinen ruderte, bevor er eine Bruchlandung auf dem Roulettetisch machte. Da die Gefahr gebannt war, zog sich das Biest in Carnegie wieder zurück. Er wischte sich den Staub von den Händen und wandte sich Jonathan zu.
    »Danke für deine Unterstützung, Junge.« Sein Blick schweifte abschätzend über Jonathans blutverschmierte Erscheinung.
    »Hast du dich gut amüsiert?«
    »Köstlich. Können wir jetzt bitte gehen?«
    Die Plattform hatte eine weitere Runde an der Hallendecke gedreht und polterte wieder auf die Wendeltreppe zu. Jonathan sprang erleichtert auf die halbwegs sichere oberste Stufe. Er drehte sich um und sah den Wermenschen grinsen.
    »Warte mal.«
    Carnegie bückte sich und hob das Tischtuch an, das den Blick auf die Silhouette eines zitternden Kartengebers freigab.
    »Sieht so aus, als wäre nur ein Spieler übrig, Jak. Wo bleibt mein Gewinn?«

2
    Edwin Rafferty schleppte sich die Stufen der Treppe hinauf, die vom »Mitternacht« zur Hauptstraße führte, und schützte
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