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Der Schwarze Papst

Titel: Der Schwarze Papst
Autoren: Eric Walz
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Mordtheorie.«
    Sandro nickte. Dass er sich mit seiner Erwiderung Zeit ließ, brachte Ruhe in die Diskussion, die bereits am Rande der Gereiztheit verlaufen war.
    Er ging eine Weile in dem Zimmer auf und ab, dann sagte er: »Wenn ein gewisses Indiz nicht wäre, würde ich Euch recht geben.«
    »Ein Indiz?«
    Sandro zeigte auf einen ausgetrockneten Lappen, der in der Ecke neben der Zimmertür lag. »Am Tag nach Carlottas Tod, als wir alle hier waren, habe ich den Lappen angefasst. Er war feucht. Ich vermute, Carlotta hatte ihn in den Brunnen vor dem Haus getaucht, danach wischte sie hier den Boden. Wir alle wissen, wie gewissenhaft sie in Haushaltsdingen war.«
    »Ich - verstehe nicht, worauf Ihr …«
    Sandro strich seinen Zeigefinger über den Boden, dann hielt er ihn Milo vors Gesicht. »Kein Schmutz. Nur ein bisschen Staub, der sich in den letzten Wochen seit ihrem Tod hier angesammelt hat. Und seht Euch den Lumpen an: dreckig. Das heißt, sie hat hier am Tag ihres Todes, genauer gesagt eine Stunde vor ihrem Tod, geputzt. Verzeihung, aber ich kann einfach nicht glauben, dass ein Mensch ein Zimmer putzt, bevor er sich aus dem Fenster
stürzt, weil er - wie Ihr es ausdrücktet - von der Verzweiflung besiegt wird.«
    Sandro ließ einen Moment verstreichen, und als er weitersprach, hatte sich sein nachdenklicher Tonfall in einen tatkräftigen Tonfall verwandelt. »Das heißt, wir haben es mit einem Mörder zu tun, den es zu finden gilt. Ich schlage vor, wir befragen Leute, die sich gewöhnlich auf der Piazza herumtreiben, beispielsweise Händler und Bettler. Vielleicht hat ja doch jemand irgendetwas gesehen. Außerdem brauchen wir eine Personenbeschreibung des Mannes, der sich im Hurenmilieu nach Carlotta erkundigte.«
    Er hatte, entgegen seiner sonstigen Art, in fast befehlsmäßigem Ton gesprochen und seine beiden Zuhörer damit ein weiteres Mal an diesem Tag überrascht. Er selbst war nicht minder verblüfft, als er sich reden hörte.
    »Einverstanden«, sagte Antonia. Es war das Erste, was sie zur Diskussion beitrug, obwohl sie ihr aufmerksam gefolgt war.
    Sandro lächelte sie an. »Danke«, sagte er erleichtert, korrigierte sich aber sofort. »Ich meine - das freut mich. Dann sind wir uns also einig?«
    Sandro und Antonia warfen Milo einen Blick zu.
    »Sicher.« Milo gab nach. »Wieso nicht? Suchen wir einen Mörder.«
    Sandro wandte sich zur Tür und grinste zufrieden in sich hinein. Er hatte das Gefühl, zum ersten Mal, seit er sich mit Antonia versöhnt hatte, zum ersten Mal seit zwei Monaten, seit sie mit Milo zusammen war, einen Punkt gemacht zu haben.
    »Dann also los«, sagte er.
     
    Sie hatten beschlossen, sich aufzuteilen - leider nicht derart, wie Sandro es gerne gehabt hätte. Antonia würde die Huren im Trastevere befragen, bei denen der unbekannte Mann Erkundigungen
über Carlotta eingezogen hatte, und Sandro und Milo nahmen sich vor, Passanten zu befragen, ob sie Carlottas Sturz beobachtet hatten. So schritten sie nebeneinander her, diese beiden, die dieselbe Frau liebten, ein Jesuit und der Sohn einer Bordellbetreiberin. Eigentlich ein Witz, aber nicht zum Lachen.
    Die Piazza war an diesem Mittag nahezu unbelebt, denn die Sonne brannte vom Himmel herunter, und die Römer flohen zu dieser Stunde von den Plätzen in die schattigen Gassen. Die Steinmetze, die Reparaturarbeiten am Stadttor vornahmen, unterbrachen ihre laute Arbeit, herrenlose Fuhrwerke parkten unter Bäumen, zwei Soldaten der Stadtwache dösten vor der Pforte einer Taverne, ein Gemüsehändler schlief unter seinem Verkaufstisch, eine Bettlerin kauerte mit ihrem Kind neben einem Brunnen - es lag eine schwere Stille über der Piazza, so als habe die Stadt das Atmen eingestellt.
    »Keine guten Voraussetzungen«, sagte Milo.
    Sandro antwortete mit einer Stimme, der man anhörte, dass er sich darüber freute, widersprechen zu können. »Im Gegenteil. Als Carlotta starb, war die Piazza so leer wie heute.«
    »Woher wollt Ihr das so genau wissen? Carlotta starb vormittags.«
    »Stimmt. Aber auf dem Petersplatz zelebrierte der Papst eine große Messe anlässlich der Teilfertigstellung des Petersdoms. Ich selbst war dort und habe die Menschenmassen gesehen. Gewiss war auch die Piazza del Popolo leerer als an anderen Vormittagen.«
    »Händler und Bettler scheren sich wenig um eine Papstmesse.«
    »Carlotta starb sonntags, da dürfen Händler nicht arbeiten. Wir finden demnach ungefähr dieselben Bedingungen vor wie an jenem Vormittag.«
    Mit
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