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Der Schwarze Papst

Titel: Der Schwarze Papst
Autoren: Eric Walz
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der Kapelle. Die Nacht hatte ihn umschlossen, aber Antonia würde seine Silhouette jederzeit zwischen tausend anderen erkennen. Gewiss hörte er ihre Schritte, sie war nicht leise, unter ihren Sohlen knirschte Sand. Langsam tastete sie sich voran, ihm entgegen, und endlich war sie da, bei ihm. Sie setzte sich nicht neben ihn auf die Bank, sondern stellte sich vor Sandro.
    Antonia spürte trotz der Dunkelheit, dass Sandro sie ansah. Seine Arme hoben sich, seine Finger tasteten nach ihr.
    Ihre Hände fanden sich.
    »Was ist?«, fragte Antonia.
    »Hilf mir auf«, bat Sandro.

    »Wieso?«
    »Tu es einfach.«
    Und sie half ihm auf die Beine. Stehend umarmten sie sich, beschützt von der Finsternis. Ihr Kuss dauerte lange an, der erste Kuss von vielen weiteren Küssen in ihrem Leben.
    Sie wollte ihm etwas zeigen, das das Leben verändern würde, seines und ihres. Es befand sich am anderen Ende der Stadt.
    »Komm mit.«
    »Wohin?«
    Sie drückte sich mit Absicht geheimnisvoll aus. »In die Zukunft.«
    Dorthin schritten sie voran. Ihre Freude war groß und wurde weder durch eine Todesnachricht noch durch das Schicksal eines anderen Menschen getrübt, und sie schaffte es, Sandro mit ihrer Freude anzustecken. Sie lachten, ohne dass sie genau wussten, worüber. Wie die Kinder. Im Grunde waren sie das auch - in der Kindheit der Liebe.
    Auf halbem Weg auf den Gianicolo ging Antonia die Luft aus, und Sandro nahm sie huckepack, mit dem Ergebnis, dass er nach hundert Schritten auch nicht mehr weiterkonnte. Sie rasteten mitten in der Nacht auf einem schmalen Weg. Dann gingen sie weiter, und nach einer Weile sagte Antonia: »Halt. Da ist es.«
    »Da ist was?«
    »Das Haus.« Sie deutete darauf. Es war eher ein Häuschen als ein Haus, aber in gutem Zustand und an einer besonderen Stelle gelegen, genau in der Mitte zwischen dem Sternenhimmel und den Lichtern Roms. In den Fenstern brannten Kerzen.
    »Ein Geschenk des Papstes«, sagte sie.
    Sandro holte Luft, genau wie sie es erwartet hatte. Sie wusste sogar, was er als Nächstes sagen würde, und Papst Julius hatte es ebenfalls gewusst.
    »Das werde ich nicht annehmen.«

    »Musst du auch nicht. Der Papst hat es mir geschenkt. Du bist hier nur Gast.«
    »Julius ist doch wirklich …« Sandro suchte nach einem Wort. »Raffiniert.« Dann lachte er. Sie lachten beide. Das Häuschen, auch wenn es Antonia gehörte, würde ihrer beider Heim werden. Sandro wusste das so gut wie sie.
    Dann sagte sie: »Ich möchte Clelia zu mir holen, Giovannas Tochter. Ich habe sie gestern und heute bei den Clarissen besucht, und ich glaube, sie hätte nichts dagegen. Im Gegenteil, es könnte ihr ein Trost sein.«
    Antonia sah, dass Sandro die Idee gefiel.
    »Du bist wunderbar, Antonia, weißt du das?«
    »Ja, aber ich höre es trotzdem gern. Möchtest du hineingehen?«
    »Später.« Sie legten sich auf die Wiese, um sie herum zirpten die Grillen, über ihnen flirrten die Sterne.
    Es war ein Anfang. Der Anfang wovon? Nun, das wusste niemand so genau.
    Man weiß nie, was kommt.

Epilog
    Ein Spätsommertag kurz vor der Ernte. Er ging durch ein endloses Kornfeld, dessen Ähren sich auf Höhe seiner Knie neigten. Weit und breit war nichts als Korn. Aber auf einer Anhöhe stand ein einzelner Baum, ein Ölbaum. Plötzlich erhob sich eine Krähe vom Baum und flog krächzend auf ihn zu. Die Krähe kam näher, kam ihm nahe, machte keine Anstalten, ihm auszuweichen. Als sie fast bei ihm war, schlug er nach ihr, und sie fiel zu Boden. Vom Baum her drang Geschrei zu ihm, das nicht nur von den Krähen zu kommen schien, sondern wie ein Heulen war. Zwei weitere Krähen stiegen auf. Er lief fort. Doch so schnell er auch lief, so viele Haken er auch schlug, so verzweifelt er in alle Richtungen blickte, er fand keinen Weg. Da war nur Korn, nichts als Korn, und ein Himmel, so blass, als wolle er für immer verschwinden.
    Als Julius sich umwandte, war der Baum noch immer genauso nah wie zuvor - und die Krähen stürzten auf ihn zu.
    Er wehrte sich, duckte sich, schloss die Augen, schlug zu. Er traf fast bei jedem Schlag, spürte den Schmerz in der Hand, hörte den Schrei des verletzten Tieres. Doch mit jeder Krähe, die zu Boden fiel, kamen zwei neue nach, und bald war er umgeben von Schwärze und Geschrei.
    Seine Hand blutete.
    Er war allein, einsam, angsterfüllt, niemand half ihm.
    Da spürte er eine Gestalt hinter sich.
    In diesem Moment, mitten im Traum, dachte er: Das ist
Sandro, die Gestalt hinter mir. Er ist da. Er hilft
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