Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Schwarze Papst

Titel: Der Schwarze Papst
Autoren: Eric Walz
Vom Netzwerk:
können, ob Carissimi sich darin befand. Selbst wenn er darin war - es wimmelte von Soldaten. Wie sollte er also an ihn herankommen? Und dann,
als er ihn endlich aus der Ferne entdeckt hatte, war er in die Sänfte des Papstes gestiegen, und Milo hatte sich jeder Gelegenheit beraubt gesehen.
    Doch der Teufel hatte ein Einsehen. Nun lief ihm Carissimi geradewegs entgegen, bog in genau jene Gasse ein, in der Milo sich hinter einem kleinen Brunnen verbarg. Die Wache begleitete Carissimi nicht, nur ein Bürschchen, mit dem er ein Gespräch begann.
    Milo überlegte, ob er gleich angreifen oder noch warten sollte. Immerhin müsste er eine Strecke von ungefähr zwanzig Schritt ohne Deckung zurücklegen, in der Carissimi oder das Bürschchen auf ihn aufmerksam werden könnten. Das würde Carissimi die Möglichkeit zur Flucht geben, vielleicht würde er nach einer Wache rufen.
    Milo entschied sich, nichts zu überstürzen. Aber sobald Carissimi allein wäre, oder wenn die beiden sich umdrehen würden, um die Gasse wieder zu verlassen …
     
    Als Sandro vorhin an der Tafel des Collegiums die Andeutung gemacht hatte, dass das Mittagsmahl vielleicht für zwei der Anwesenden eine Art Henkersmahlzeit sein könnte, hatte er zum einen natürlich Duré gemeint, zum anderen Gisbert von Donaustauf. Nicht, dass der junge Mann ein Verbrechen begangen hätte - im Gegenteil, Sandro glaubte, dass Gisbert schon bald Opfer eines Verbrechens werden würde.
    Nur jemand, der in Rom groß geworden war, nur jemand, der seit langer Zeit in einer Stadt lebte, die irr war vor Sonne, irr vor Sünden, konnte die Gefahr spüren, in der dieser halbflügge Junge aus der Provinz schwebte. Rosina, die ihn nicht liebte, würde ihn heiraten. Ried, den Rosina liebte, würde in Rom bleiben. Franco, der für ein paar Dukaten seine Mutter verkaufen würde, hatte den Plan ausgetüftelt. Nach der Hochzeit würden Gisbert und Rosina in Rom bleiben, und zwar bis
weit ins nächste Jahr hinein, in dem Gisbert mündig würde … Ein paar Wochen später, vielleicht auch erst auf der Reise gen Norden, würde Gisbert Opfer eines Verbrechens werden, dessen Täter man nie ermitteln würde. Franco hätte gewiss ein Alibi. Der Mörder würde Tilman Ried heißen. Der Liebe wegen - und weil diese Stadt ein Höllenschlund war - würde aus einem anständigen ein schlechter Mensch werden.
    Sandro bemühte sich, so deutlich wie möglich zu werden, aber Gisbert von Donaustauf lachte ihn aus.
    »Rosina liebt mich nicht? Hört auf, Ihr habt ja keine Ahnung. Soll ich Euch sagen, wie sehr sie mich liebt? Soll ich Euch mal meinen Rücken zeigen? Soll ich Euch beschreiben, wie Liebe sich anfühlt? Ich spüre, dass sie mich liebt.«
    »Ihr wünscht es zu spüren, daher …«
    »Schweigt. Ich muss Euch nicht länger zuhören, Ihr habt mir nichts mehr zu befehlen. Da drin im Collegium konntet Ihr den großen Kommandanten mimen, aber damit ist Schluss. Was seid Ihr denn schon? Was wisst Ihr denn schon? Die Leute sind reihenweise gestorben, und hätte der Mörder sich nicht erhängt, würdet Ihr noch immer im Dunklen tappen. Was waren das für große Reden vorhin an der Tafel: Ich werde an eine Tür klopfen … Und jetzt? Jetzt ist derjenige, der sich erhängt hat, der Mörder. Eine großartige Leistung. So jemanden wie Euch nenne ich einen Versager. Und nun lebt wohl.«
    Gisbert von Donaustauf machte sich auf den Weg, und Sandro sah ihm nach. Leb du auch wohl, dachte er, glaubte aber nicht daran.
     
    Bloß keine große Sache daraus machen, dachte Milo und kam aus seiner Deckung hervor. Er war so leise, dass er seine eigenen Schritte nicht hörte. Das Pflaster war sauber und trocken. Milo spürte keine Nervosität, keine Erregung. Fast war es ihm egal, ob er die Tat nun beginge oder nicht. Doch der kleine
Machtkampf zwischen Carissimi und ihm war nun einmal entstanden und musste zu Ende gebracht werden.
    Ein Schritt noch. Carissimi hatte ihn nicht bemerkt.
    Das war’s.

25
    Julius, noch in der Sänfte auf dem Weg in den Vatikan, spürte einen Stich in der Nähe des Herzens. Das war der Tod. Nicht der sofortige Tod, nur der Einstieg, die Fahrt hinab, das hohe Alter. Seine Organe waren verbraucht, von ihm selbst geschändet. Absurd, jetzt noch in Jahren zu planen.
    Eine große innere Ruhe überkam ihn, die allerdings nichts Angenehmes an sich hatte, denn es handelte sich um Lethargie und Desinteresse. Die Politik: ein langweiliges Spiel. Die Ränke: vergeblich wie die Mühsal des Sisyphos. Die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher