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Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Titel: Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend
Autoren: Erich Maria Remarque
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Hut und wirf die Tür schmetternd hinter sich zu. Wir sehen ihn auf seinen stämmigen X-Beinen über den Hof stampfen, halbmilitärisch mit seinen Radfahrklammern. Er ist im Abmarsch zu seinem Stammtisch in der Gastwirtschaf Blume.
      «Freude am Geschäf will er haben, dieser bürgerliche Sadist», sage ich ärgerlich. «Auch das noch! Wie kann man unser Geschäf anders als mit frommem Zynismus betreiben, wenn man seine Seele bewahren will? Dieser Heuchler aber will Freude am Schacher mit Toten haben und hält das noch für sein angestammtes Recht!»
      Georg lacht. «Nimm dein Geld und laß uns auch aufrechen! Wolltest du dir nicht noch eine Krawatte kaufen? Vorwärts damit! Heute gibt es keine Gehaltserhöhungen mehr!»
      Er nimmt den Koffer mit dem Geld und stellt ihn achtlos in das Zimmer neben dem Büro, wo er schläf. Ich verstaue meine Packen in einer Tüte mit der Aufschrif: Konditorei Keller – feinste Backwaren, Lieferung auch ins Haus.
      «Kommt Riesenfeld tatsächlich?» frage ich.
      «Ja, er hat telegraphiert.»
      «Was will er? Geld? Oder verkaufen?»
      «Das werden wir sehen», sagt Georg und schließt das Büro ab.

    II

    Wir treten aus der Tür. Die hefige Sonne des späten Aprils stürzt auf uns herunter, als würde ein riesiges goldenes Becken mit Licht und Wind ausgeschüttet. Wir bleiben stehen. Der Garten steht in grünen Flammen, das Frühjahr rauscht im jungen Laub der Pappel wie eine Harfe, und der erste Flieder blüht.
      «Inflation!» sage ich. «Da hast du auch eine – die wildeste von allen. Es scheint, daß selbst die Natur weiß, daß nur noch in Zehntausenden und Millionen gerechnet wird. Sieh dir an, was die Tulpen da machen! Und das Weiß drüben und das Rot und überall das Gelb! Und wie das riecht!»
      Georg nickt, schnuppert und nimmt einen Zug aus der Brasil; Natur ist für ihn doppelt schön, wenn er dabei eine Zigarre rauchen kann.
      Wir fühlen die Sonne auf unseren Gesichtern und blicken auf die Pracht. Der Garten hinter dem Hause ist gleichzeitig der Ausstellungsplatz für unsere Denkmäler. Da stehen sie, angeführt wie eine Kompanie von einem dünnen Leutnant, von dem Obelisken Otto, der gleich neben der Tür seinen Posten hat. Er ist das Stück, das ich Heinrich geraten habe zu verkaufen, das älteste Denkmal der Firma, ihr Wahrzeichen und eine Monstrosität an Geschmacklosigkeit. Hinter ihm kommen zuerst die billigen kleinen Hügelsteine aus Sandstein und gegossenem Zement, die Grabsteine für die Armen, die brav und anständig gelebt und geschufet haben und dadurch natürlich zu nichts gekommen sind. Dann folgen die größeren, schon mit Sockeln, aber immer noch billig, für die, die schon etwas Besseres sein möchten, wenigstens im Tode, da es im Leben nicht möglich war. Wir verkaufen mehr davon als von den ganz einfachen, und man weiß nicht, ob man diesen verspäteten Ehrgeiz der Hinterbliebenen rührend oder absurd finden soll. Das nächste sind die Hügelsteine aus Sandstein mit eingelassenen Platten aus Marmor, grauem Syenit oder schwarzem schwedischem Granit. Sie sind bereits zu teuer für den Mann, der von seiner Hände Arbeit gelebt hat. Kleine Kaufleute, Werkmeister, Handwerker, die einen eigenen Betrieb gehabt haben, sind die Kunden dafür – und natürlich der ewige Unglücksrabe, der kleine Beamte, der immer mehr vorstellen muß, als er ist, dieser brave Stehkragenproletarier, von dem keiner weiß, wie er es fertigbringt, heutzutage noch zu existieren, da seine Gehaltserhöhungen stets viel zu spät kommen.
      Alle diese Denkmäler sind noch das, was man als Kleinvieh bezeichnet – erst hinter ihnen kommen die Klötze aus Marmor und Granit. Zunächst die einseitig polierten, bei denen die Vorderflächen glatt sind, Seiten und Rückenfläche rauh gespitzt und die Sockel allseitig rauh. Das ist bereits die Klasse für den wohlhabenderen Mittelstand, den Arbeitgeber, den Geschäfsmann, den besseren Ladenbesitzer und, natürlich, den tapferen Unglücksraben, den höheren Beamten, der, ebenso wie der kleine, im Tode mehr ausgeben muß, als er im Leben verdient hat, um das Dekorum zu wahren.
      Die Aristokratie der Grabsteine jedoch sind der allseitig polierte Marmor und der schwarze schwedische Granit. Da gibt es keine rauhen Seiten und Rückenflächen mehr; alles ist auf Hochglanz gebracht worden, ganz gleich, ob man es sieht oder nicht, sogar die Sockel, und davon gibt es nicht nur einen oder zwei, sondern of auch einen
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