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Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Titel: Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend
Autoren: Erich Maria Remarque
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an.
      «Was? Das aus schwedischem Granit mit dem Doppelsockel und den Bronzeketten?»
      «Das! Oder haben wir noch ein anderes?»
      Heinrich genießt deutlich seine blöde Frage als einen Höhepunkt sarkastischen Humors.
      «Nein», sage ich. «Wir haben kein anderes mehr. Das ist ja das Elend! Es war das letzte. Der Felsen von Gibraltar.»
      «Wie hoch hast du verkauf?» fragt jetzt Georg Kroll.
      Heinrich reckt sich. «Für dreiviertel Millionen, ohne Inschrif, ohne Fracht und ohne Einfassung. Die kommen noch dazu.»
      «Großer Gott!» sagen Georg und ich gleichzeitig.
      Heinrich spendet uns einen Blick voll Arroganz; tote Schellfische haben manchmal so einen Ausdruck. «Es war ein schwerer Kampf», erklärt er und setzt aus irgendeinem Grunde seinen Hut wieder auf.
      «Ich wollte, Sie hätten ihn verloren», erwidere ich.
      «Was?»
      «Verloren! Den Kampf!»
      «Was?» wiederholt Heinrich gereizt. Ich irritiere ihn leicht.
      «Er wollte, du hättest nicht verkauf», sagt Georg Kroll.
      «Was? Was soll denn das nun wieder heißen? Verdammt noch mal, man plagt sich von morgens bis abends und verkauf glänzend, und dann wird man als Lohn in dieser Bude mit Vorwürfen empfangen! Geht mal selber auf die Dörfer und versucht –»
      «Heinrich», unterbricht Georg ihn milde. «Wir wissen, daß du dich schindest. Aber wir leben heute in einer Zeit, wo Verkaufen arm macht. Wir haben seit Jahren eine Inflation. Seit dem Kriege, Heinrich. Dieses Jahr aber ist die Inflation in galoppierende Schwindsucht verfallen. Deshalb bedeuten Zahlen nichts mehr.»
    Das weiß ich selbst. Ich bin kein Idiot.»
      Niemand antwortet darauf etwas. Nur Idioten machen solche Feststellungen. Und denen zu widersprechen ist zwecklos. Ich weiß das von meinen Sonntagen in der Irrenanstalt. Heinrich zieht ein Notizbuch hervor. «Das Kreuzdenkmal hat uns im Einkauf fünfzigtausend gekostet. Da sollte man meinen, daß dreiviertel Millionen ein ganz netter Profit wären.»
      Er plätschert wieder in Sarkasmus. Er glaubt, er müsse ihn bei mir anwenden, weil ich einmal Schulmeister gewesen bin. Ich war das kurz nach dem Kriege, in einem verlassenen Heidedorf, für neun Monate, bis ich entfloh, die Wintereinsamkeit wie einen heulenden Hund auf den Fersen.
      «Es wäre ein noch größerer Profit, wenn Sie statt des herrlichen Kreuzdenkmals den verdammten Obelisken draußen vor dem Fenster verkauf hätten», sage ich. «Den hat Ihr verstorbener Herr Vater vor sechzig Jahren bei der Gründung des Geschäfes noch billiger eingekauf – für so etwas wie fünfzig Mark, der Überlieferung zufolge.»
      «Den Obelisken? Was hat der Obelisk mit diesem Geschäf zu tun? Der Obelisk ist unverkäuflich, das weiß jedes Kind.»
      «Eben deshalb», sage ich. «Um den wäre es nicht schade gewesen. Um das Kreuz ist es schade. Das müssen wir für teures Geld wiederkaufen.»
      Heinrich Kroll schnauf kurz. Er hat Polypen in seiner dicken Nase und schwillt leicht an. «Wollen Sie mir vielleicht erzählen, daß ein Kreuzdenkmal heute dreiviertel Millionen im Einkauf kostet?»
      «Das werden wir bald erfahren», sagt Georg Kroll. «Riesenfeld kommt morgen hier an. Wir müssen bei den Odenwälder Granitwerken neu bestellen; es ist nicht mehr viel auf Lager.»
      «Wir haben noch den Obelisken», erkläre ich tückisch.
      «Warum verkaufen Sie den nicht selber?» schnappt Heinrich. «So, Riesenfeld kommt morgen; da werde ich hierbleiben und auch mal mit ihm reden! Dann werden wir sehen, was Preise sind!»
      Georg und ich wechseln einen Blick. Wir wissen, daß wir Heinrich von Riesenfeld fernhalten werden, selbst wenn wir ihn besoffen machen oder ihm Rizinusöl in seinen Sonntagsfrühschoppen mischen müssen. Der treue, altmodische Geschäfsmann würde Riesenfeld zu Tode langweilen mit Kriegserinnerungen und Geschichten aus der guten alten Zeit, als eine Mark noch eine Mark und die Treue das Mark der Ehre war, wie unser geliebter Feldmarschall so treffend geäußert hat. Heinrich hält große Stükke auf solche Plattitüden; Riesenfeld nicht. Riesenfeld hält Treue für das, was man von anderen verlangt, wenn es nachteilig für sie ist – und von sich selbst, wenn man Vorteile davon hat.
      «Preise wechseln jeden Tag», sagt Georg. «Da ist nichts zu besprechen.»
      «So? Glaubst du vielleicht auch, daß ich zu billig verkauf habe?»
      «Das kommt darauf an. Hast du Geld
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