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Der schwarze Magier

Der schwarze Magier

Titel: Der schwarze Magier
Autoren: Susan Hastings
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Kopf. Nach einer langen Weile regte sich der Junge. Er zog laut hörbar die Nase hoch und wischte sich mit dem Handrücken die Tränen aus dem Gesicht. Dann kleidete er sich langsam an, nahm den Kanten Brot an sich und schlich aus dem Raum.
    Rupert rang nach Luft, dann ließ er sich auf den Fußboden sinken. »Das war ja widerlich! Warum tut er das?«, fragte er leise.
    »Nick? Weil er von Hieronymus gezwungen wird. Er macht es nicht freiwillig, wie die anderen auch nicht. Bei Edward bin ich mir nicht sicher, ob er es nicht doch mag. Ebenso Thomas und Benjamin.«
    »Und Hieronymus?«
    »Sie machen es alle.«
    »Aber warum?«
    »Verspürst du nicht auch den Drang in deinem Schwanz?«
    Rupert senkte den Kopf. »Manchmal. Aber nie in der Nähe eines Bruders.«
    Luke grinste von einem Ohr zum anderen. »Wenn du erst lange genug hier bist, ist es dir egal.«
    Ruperts Kopf ruckte hoch. »Niemals!«
    Luke winkte ab. »Man gewöhnt sich dran.«
    »Aber es ist Sünde, diese fleischliche Lust.«
    Luke grinste immer noch. »Also, entweder sind sie alle Sünder und werden geschlossen im Höllenfeuer schmoren…«
    »Oder?«
    »… oder es ist gar keine Sünde und sie sagen es bloß, dass es so sei.«
    »Aber warum?«
    »Denk mal drüber nach. Du siehst doch, was in diesen Büchern steht. Es muss noch etwas anderes geben als das, was uns die Brüder predigen. Und jetzt komm, wir müssen hier verschwinden.«
    Rupert presste seine Hand auf den Magen, um seine Übelkeit zu unterdrücken. »Ich bringe das Schwein um«, murmelte er.
     
     
    Es war Erntezeit und alle Brüder des Klosters mussten auf den Feldern und in den Scheunen arbeiten. Die Bibliothek, das Skriptorium blieben verwaist. Terz und Sext wurden als stilles Gebet auf den Feldern abgehalten, selbst zur Non wurde kein Chorgesang zelebriert. Die einzige warme Mahlzeit gab es erst nach der Vesper. Es war sehr warm, die Mönche schwitzten unter ihren dunklen Kutten. Am Himmel quollen Gewitterwolken, doch noch waren das Heu und das Korn nicht vollständig eingebracht. Eile war geboten, sollte nicht ein Teil der Ernte durch ein Unwetter zerstört werden.
    Luke keuchte und stützte sich auf eine Heugabel. »Ora et labora muss umgeschrieben werden«, japste er. »Labora et ora trifft eher zu. Außerdem habe ich Hunger.«
    Rupert unterbrach für einen Moment seine Arbeit. »Dass du den Hunger überhaupt noch spürst. In den Jahren hier habe ich mich daran gewöhnt. Und da ich nie zum erlauchten Kreis der Fresssäcke gehören werde, muss ich mich wohl auch weiter in Askese üben.«
    Da es im Kloster keine Pferde und Ochsen gab, mussten die Mönche selbst die schweren Karren mit dem geschnittenen Korn ziehen. Es wurde auf der Tenne abgeladen, wo es gedroschen wurde. Das Stroh diente zum Stopfen der Schlafsäcke, das Heu jedoch wurde als Futter für die Schafe eingelagert. Die Schafe gehörten zum Nonnenkloster, wie auch das Verspinnen der Wolle und Weben der Stoffe zu den Aufgaben der Nonnen gehörte. Dafür bekamen sie das Futter für die Schafe und gemahlenes Korn von den Feldern des Mönchsklosters. Wie sich die Nonnen für die gute Zusammenarbeit bedankten, hatte Rupert ja bereits mit eigenen Augen sehen können.
    »Wo ist Nick?« Rupert blickte sich suchend um. »Ich habe ihn schon eine Weile nicht mehr gesehen.«
    Luke zuckte mit den Schulter. »Keine Ahnung. Vielleicht arbeitet er auf der Tenne.«
    »Nein, nein, er ist… er ist überhaupt nicht da.«
    »Was redest du da? Du redest überhaupt sehr viel. Du weißt, dass wir lieber schweigen sollen.«
    »Hier wird zu viel geschwiegen«, knurrte Rupert. Er warf die Heugabel weg und stapfte auf das offen stehende Klostertor zu. Auch hier herrschte reger Betrieb. Ein Wagen mit goldgelben Garben wurde abgeladen. Mit den Forken stakten die Mönche die Bündel auf die Tenne, von wo das rhythmische Klopfen der Dreschknüppel drang. Doch Rupert lief vorbei an der Scheune, an den Lagergebäuden, dem Kornspeicher. Eingebunden zwischen dem Dormitorium und der Küche stand der hohe Rundturm, der in Zeiten der Unruhe als Fluchtturm diente. Seit Jahren schon war er unbenutzt. Seit König Roderick über Connaught herrschte, hielt sich das irische Reich in relativ stabiler Ruhe. Kleinere innere Unruhen erreichten nicht die abgelegenen Klöster.
    Eine Holztreppe führte zur Tür, die unverschlossen war. Etwas zog Rupert mit magischer Kraft an. Mit dem Fuß stieß er die Tür auf. Eine Steintreppe führte nach oben. Von den Treppenabsätzen
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