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Der Schuss nebenan Kommissar Morry

Der Schuss nebenan Kommissar Morry

Titel: Der Schuss nebenan Kommissar Morry
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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richtiger ... ich meine: ein echter Lord?"
    „Dafür müssen Sie meine Eltern verantwortlich machen", sagte er.
    „Und Sie . . . Sie wünschen Mr. Haggart zu sprechen?"
    „Ist das denn so ungewöhnlich?" erkundigte sich Lord Bramsey.
    „Nein — ja — natürlich nicht", stammelte die junge Dame, die offensichtlich von dem Umgang mit Lordschaften nur sehr unklare Vorstellungen hatte. „Einen Augenblick, bitte." Sie drückte auf einen Knopf der Sprechanlage und sagte in das Mikrofon: „Ein Lord Bramsey wünscht Sie zu sprechen."
    Einige Sekunden war es still, dann sagte eine knarrende Männerstimme: „Hab jetzt keine Zeit!" Es knackte im Lautsprecher. Die Verbindung war unterbrochen. Das Mädchen am Schreibtisch errötete, als habe Mr. Haggart eine unanständige Bemerkung gemacht. Sie zuckte wie entschuldigend die runden Schultern und meinte: „Sie haben es ja selbst gehört."
    „Wo sitzt er, da drin?" fragte Bramsey und wies auf eine Tür, die mit rotem Leder beschlagen war.
    „Ja."
    Lord Bramsey ging gelassen auf die Tür zu. Das Mädchen sprang auf. „Bitte, Sir, — Mylord, Sie dürfen nicht hinein gehen!"
    Bramsey blieb stehen. „Es ist sehr wichtig, wissen Sie, und ich gehöre zu den Leuten, die wichtige Dinge sofort erledigen, auch wenn das gelegentlich zu kleinen Mißhelligkeiten führt."
    „Sie verstehen das nicht", sagte das Mädchen mit leiser, gehetzt klingender Stimme. „Wenn Sie einfach reingehen, habe ich den Ärger, und außerdem..."
    „Nun?"
    „Mr. Haggart ist nicht allein. Er hat jetzt wirklich keine Zeit."
    Lord Bramsey wies auf die Sprechanlage. „Sagen Sie ihm, daß ich nicht bereit bin, zu gehen, ohne ihn gesprochen zu haben." Das Mädchen zögerte, dann schaltete sie abermals das Mikrofon ein.
    „Was gibt's schon wieder?" drang Haggarts schnaufende Stimme aus dem Lautsprecher. „Ist der Lackaffe endlich gegangen?"
    „Der Lack ... ich meine der Lord ist noch hier", stammelte das Mädchen mit hochrotem Kopf. „Er sagt, es sei sehr dringend und. . ."
    „Er soll endlich abhauen!" unterbrach die knurrende Männerstimme. Dann knackte es abermals. Haggart hatte abgestellt.
    „Es ist wohl besser, wenn Sie gehen", meinte das Mädchen mit niedergeschlagenen Augen.
    Aber Lord Bramsey hatte bereits die Tür zu Haggarts Office geöffnet. Das Büro des Syndikatsbosses war ein riesengroßer Raum, in dem sich der gewaltige, vor einem breiten Fenster stehende Schreibtisch beinahe wie verloren ausnahm. Hinter dem
    Schreibtisch saß ein fetter, klobiger Mann in einem hellgrauen Anzug: Haggart. Ihm gegenüber stand ein etwa fünfundzwanzig jähriger Bursche von athletischem Wuchs. Der Bursche trug einen ziemlich auffälligen Anzug von einem kakaoähnlichen Braun.
    Haggart schraubte sich langsam in die Höhe. Zwischen seinen wulstigen Lippen klemmte eine schwarze Zigarre. Er sah sehr böse aus, und im Moment war es schwer, sich vorzustellen, daß er gelegentlich auch Witze zu reißen vermochte.
    „Das ist doch die Höhe!" knurrte er, ohne die Zigarre aus dem Mund zu nehmen. Er wandte sich an den jungen Mann, der ihm am Schreibtisch gegenüber stand. „He, Tommy, zeig diesem Burschen, daß wir Amerikaner nicht vor einem lächerlichen Titel zu Kreuze kriechen!"
    „Wird gemacht, Boß", erwiderte der junge Mann und schlenderte gemächlich auf Lord Bramsey zu.
    Es gab nicht den geringsten Zweifel, daß der junge Mann die Absicht hatte, seine athletischen Qualitäten zu demonstrieren, und Lord Bramsey straffte sich etwas, um für die bevorstehende Auseinandersetzung gewappnet zu sein. Der junge Mann hatte einen runden Schädel mit sehr kurzgeschnittenem Haar. Irgendwie hatte man beim Betrachten des runden Kopfes das Gefühl, daß er so hart und unempfindlich wie eine Kanonenkugel sein müsse. Das Spiel der Muskeln unter dem kakaobraunen Anzug erinnerte an die selbstverständliche Sicherheit einer Raubkatze. Mit den kleinen, tückisch funkelnden Augen war er ohne Zweifel eine Erscheinung, die jeden Gegner schon durch gewisse optische Qualitäten einzuschüchtern vermochte.
    Lord Bramsey war freilich keiner von denen, die sich mit Furchtkomplexen auseinandersetzen müssen. Er wartete ab, bis der Bursche, der sich Tommy nannte, nach ihm griff . . .  und fegte dann mit einem Schlag die zudringliche Hand zur Seite. Lord Bramsey verwendete für diesen Schlag die Schmalseite seiner Hand. Sie besaß die Geschicklichkeit eines Judokämpfers und die Härte abgelagerten Holzes. Der junge Mann verzog
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