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Der schüchterne Junggeselle

Der schüchterne Junggeselle

Titel: Der schüchterne Junggeselle
Autoren: P. G. Wodehouse
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Verbannung. Ich nehme an, daß er zuviel Wildwestfilme gesehen hat. Sigsbee Waddington war von der ersten Zeit an ein großer Filmnarr; und wenn ich mich nicht irre, war er auch der erste in dieser Stadt, der den Schurken ausgezischt hat. Ob Tom Mix an dem Unglück schuld ist, oder ob sein schwacher Verstand allmählich darunter gelitten hat, daß er William S. Hart sein Pferd hat küssen sehen, weiß ich nicht; jedenfalls ist Tatsache, daß er sich jetzt nach der großen freien Natur sehnt, und wenn du dich bei ihm beliebt machen willst, brauchst du nur zu sagen, daß du im Westen geboren bist – was du sonst hoffentlich sorgfältig verheimlichst.«
    »Das will ich tun«, rief George begeistert. »Ich kann dir gar nicht sagen, wie dankbar ich dir für diesen Tip bin, Hamilton.«
    »Du brauchst mir nicht dankbar zu sein. Es wird dir nicht das geringste nützen. Als Sigsbee Waddington zum zweitenmal heiratete, gab er sich ganz aus der Hand. Ihn eine Null in seinem Haus zu nennen, hieße seine Bedeutung zu sehr übertreiben. Er tut, was seine Frau ihm befiehlt, und sonst nichts. Bei ihr mußt du dich beliebt machen.«
    »Wie ist das möglich?«
    »Das ist unmöglich, Mrs. Sigsbee Waddington ist eine sehr schwer zu behandelnde Frau.«
    »Eine zähe Nummer?« fragte George ängstlich.
    Hamilton Beamish runzelte die Stirn.
    »Ein schauderhafter Ausdruck. So etwas würde Mullett sagen; und es gibt wohl wenig, was einen denkenden Menschen mehr entsetzen könnte als Mulletts Ausdrucksweise. Trotzdem gibt es gewissermaßen ein richtiges Bild von Mrs. Waddington. In Tibet existiert ein alter Glaube, daß die Menschen der Verbindung einer Dämonin namens Drasrinmo und eines Affen entstammen. Sowohl Sigsbee H. wie Mrs. Waddington machen diese Theorie sehr wahrscheinlich. Ich spreche nur sehr ungern schlecht von einer Frau, aber es wäre sinnlos, verheimlichen zu wollen, daß Mrs. Waddington ein alberner und seelenloser Snob ist. Sie betet Reichtum und Ansehen an. Sie liebt nur Leute mit Geld oder mit Namen. Ich weiß übrigens auch, daß sich bei ihnen immer ein englischer Lord herumtreibt, der, wenn es nach ihr geht, Molly heiraten soll.«
    »Nur über meine Leiche«, sagte George. ’ »Das ließe sich machen. Mein armer George«, sagte Hamilton Beamish, zärtlich eine Hand auf den Kopf seines Freundes legend, »du mutest dir zuviel zu. Du bist sanft und schüchtern. Du bist ängstlich und scheu. Wenn ich dich klassifizieren sollte, müßte ich dich unter die weißen Mäuse der Natur einreihen. Eine Frau wie Mrs. Waddington würde nicht mehr als zwei Minuten dazu brauchen, dich zu erledigen.«
    »Aufessen kann sie mich nicht«, sagte George tapfer.
    »Das weiß ich noch nicht. Sie ist nicht Vegetarierin.«
    »Ich dachte, du könntest mich hinbringen und vorstellen …«
    »Daß dein Blut auf mein Haupt kommt? Nein, nein.«
    »Mein Blut? Du redest, als ob diese Frau eine ganze Raubmörderbande wäre. Ich habe keine Angst vor ihr. Um Molly zu kriegen« – George schluckte –, »würde ich mit einem wütenden Stier kämpfen.«
    Hamilton Beamish war gerührt. Er war ein großer Mann, aber kein Unmensch.
    »Das sind wackere Worte, George. Du zwingst mir Bewunderung ab. Ich mißbillige die unüberlegte Unbekümmertheit, mit der du an diese Angelegenheit herangehst, und empfehle dir nach wie vor, ›Die vernünftige Ehe‹ zu lesen und dir so vernünftige Ansichten über Liebe zu erwerben; dennoch kann ich nicht umhin, deinen Mut zu bewundern. Wenn du es also wirklich wünschst, werde ich dich mitnehmen und Mrs. Sigsbee H. Waddington vorstellen. Der Herr erbarme sich deiner Seele.«
    »Hamilton! Heute abend?«
    »Nein, heute abend nicht. Ich habe heute abend eine Vorlesung über das moderne Drama. Ein andermal.«
    »Dann«, sagte George, ein wenig errötend, »kann ich heute abend in der Neunundsiebzigsten Straße auf und ab gehen und – äh – also, auf und ab gehen.«
    »Was hat das für einen Sinn?«
    »Ich kann mir doch das Haus ansehen, nicht?«
    »Junges Blut!« sagte Hamilton Beamish nachsichtig. »Junges Blut!«
    Er stellte sich fest auf seine Gummisohlen und schwang die Hanteln in mächtigem Bogen.
5
    »Mullett«, sagte George.
    »Sir?«
    »Haben Sie meinen Frack gebügelt?«
    »Jawohl, Sir.«
    »Und gebürstet?«
    »Jawohl, Sir.«
    »Sind meine Krawatten herausgelegt?«
    »In einer hübschen Reihe, Sir.«
    George hustete.
    »Mullett!«
    »Sir?«
    »Sie erinnern sich an das kleine Gespräch, das wir vor kurzem
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