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Der schüchterne Junggeselle

Der schüchterne Junggeselle

Titel: Der schüchterne Junggeselle
Autoren: P. G. Wodehouse
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einschüchtern zu lassen. Er schritt auf die Tür zu.
    »Schatzi?«
    George riß die Tür auf.
    »Schatzi!«
    »Na, Mullett?«
    Der Diener wich mit aufgerissenen Augen zurück und rief: »Ein Wolf in der Schafherde!«
    »Seien Sie kein Idiot«, sagte George.
    »Haben Sie nicht genug an Ihrer eigenen Hochzeitsreise, Mr. Finch?«
    »Seien Sie nicht blöd. Meine Hochzeit ist auf einige Zeit verschoben.«
    »Aha. Und weil das Unglück Gesellschaft liebt, brechen Sie bei mir ein.«
    »Lassen Sie doch den Unsinn.«
    »Wenn ich gewußt hätte, daß Sie hier sind«, sagte Mullett voll Würde, »hätte ich mir nicht die Freiheit genommen, mich Ihrer Wohnung zu bedienen. Komm, Fanny, wir gehen in ein Hotel.«
    »So? Aber bevor Sie in ein Hotel gehen, muß noch eine kleine Angelegenheit geregelt werden. Sie wissen vielleicht nicht, daß Ihre Frau ein wertvolles Kollier bei sich hat, das der Dame gehört, die nur infolge des Dazwischentretens Ihrer Frau noch nicht Mrs. George Finch ist.«
    Mullett schlug sich an die Stirn. »Ein Kollier!«
    »Das ist eine Lüge«, rief seine Frau.
    Mullett schüttelte betrübt den Kopf. Er konnte zwei und zwei zusammenzählen. »Wann ist das passiert, Mr. Finch?«
    »Heute nachmittag in Hempstead.«
    »Hör nicht auf ihn, Freddy. Er ist besoffen.«
    »Wie hat es sich abgespielt, Mrs. Finch?«
    »Ihre Frau kam plötzlich in das Zimmer geplatzt, wo alle versammelt waren, und behauptete, daß ich sie verführt und nachher verlassen hätte. Dann fiel sie auf den Tisch, auf dem die Hochzeitsgeschenke waren, und simulierte Schwäche. Dann lief sie hinaus, und später merkte man, daß das Kollier fehlte.«
    Mr. Mullett schnalzte in kummervollem Stolz mit der Zunge. »Gib Mr. Finch sein Kollier zurück, mein Herz.«
    »Ich habe kein Kollier.«
    »Gib es ihm, Kind, tu, was Freddy dir sagt, oder es wird zu Unannehmlichkeiten kommen.«
    »Unannehmlichkeiten«, sagte George schwer atmend, »ist gut.«
    »Es war eine sehr schöne Arbeit, Schatzi, und kein anderes Mädel in New York hätte es machen können. Sogar Mr. Finch wird zugeben, daß es eine schöne Arbeit war.«
    »Wenn Sie Mr. Finchs Meinung hören wollen …«, begann George hitzig.
    »Aber wir haben das alles jetzt hinter uns, nicht wahr, mein Herz? Gib ihm das Kollier, Schatzi.«
    Mrs. Mullens schwarze Augen funkelten. Sie bewegte unentschlossen die Finger. »Da haben Sie Ihr olles Kollier.«
    George fing es auf.
    »Danke«, sagte er und steckte es in die Tasche.
    »Und jetzt, Mr. Finch«, sagte Mullett lebenswürdig, »müssen wir Ihnen gute Nacht wünschen. Mein kleines Frauchen hier hat einen anstrengenden Tag hinter sich und gehört ins Bett.«
    George eilte über das Dach zu seiner Wohnung. Alle Gefahren dieses Schrittes mußten ignoriert werden. Es war unerläßlich, Molly anzurufen und ihr zu erzählen, was sich ereignet hatte.
    Plötzlich hörte er seinen Namen rufen und sah Mullett auf sich zukommen. »Einen Augenblick, Mr. Finch.«
    »Was ist denn? Ich muß ganz schnell telefonieren.«
    »Ich dachte, es würde Sie freuen, das wieder zu haben, Sir.«
    Und mit den Gesten eines Zauberkünstlers, der zum Vergnügen der Kinder zwei Kaninchen und eine große Fahne aus einem geborgten Zylinderhut herauszieht, öffnete Mullett die Hand. »Ihr Kollier, Sir.«
    Georges Hand fuhr zur Tasche und kam leer zurück. »Du großer Gott! Wie …«
    »Mein kleines Frauchen«, erklärte Mullett mit einem stolzen und zärtlichen Blick. »Sie nahm es Ihnen während des Hinausgehens ab. Ich konnte sie aber dazu überreden, es wieder herzugeben. Ich erinnerte sie daran, daß wir diese Sachen hinter uns haben. Ich fragte sie, wie sie auf unserer Entenfarm glücklich sein wollte, wenn sie etwas Derartiges auf dem Gewissen hätte, und sie sah es auch sofort ein. Sie ist ein sehr vernünftiges Mädel, Sir, wenn man liebevoll mit ihr spricht.«
    George holte tief Atem. Er steckte das Kollier in die innere Brusttasche, knöpfte seinen Rock wieder zu und trat einen Schritt zurück. »Wollen Sie diese Frau auf einer Entenfarm loslassen, Mullett?«
    »Jawohl, Sir. Wir ziehen in die Nähe von Speonk.«
    »Sie wird allen Vögeln in der Nähe die Schwanzfedern abgenommen haben, bevor die erste Woche um ist.«
    Mullett quittierte mit einer Verbeugung für das Kompliment. »Und die Vögel würden nicht wissen, daß sie die Federn verloren haben. Aber das ist jetzt alles vorbei, Sir. Sie zieht sich endgültig vom Geschäft zurück – abgesehen von gelegentlichen
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