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Der schottische Seelengefährte (German Edition)

Der schottische Seelengefährte (German Edition)

Titel: Der schottische Seelengefährte (German Edition)
Autoren: Gwen Wyler
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zurückgeführt. Denn was sie zu hören bekommen hatte, war einfach zu abwegig und absurd gewesen. Sie blickte in das unbewohnte tiefe grüne Tal vor sich und trank vorsichtig an ihrem heißen Tee, den sie sich heute Morgen im B&B in der Nähe von Inverness in einer Thermoskanne fertig gemacht hatte. Die ältere Hauswirtin hatte sie liebevoll wie eine Oma umsorgt, zumal um diese Jahreszeit Mitte April erst wenige Gäste kamen. Den Meisten war es in den Highlands noch zu kalt und ungemütlich. Doch Mary genoss die Ruhe und karge Natur. Irgendwie empfand sie es beruhigend nach den aufwühlenden Ereignissen der letzten Zeit.
    Natürlich hatte sie ihrer Mutter das von ihr abverlangte Versprechen gegeben. Zumal Megan nicht zu Ruhe hatte kommen wollen und Mary bedrängt, bis sie nachgegeben hatte. Daraufhin erst hatte Megan sich erschöpft und erleichtert in das Kissen zurückgelehnt und die Augen für immer schlossen.
    Die anschließende Zeit blieb Mary nur noch verschwommen in Erinnerung. Plötzlich alleine ohne Familie dazustehen war fast mehr, als sie ertragen konnte. Dazu all die Formalitäten und Behördengänge, die erledigt werden mussten. Dadurch, dass sie keinerlei Verwandtschaft weder von Seiten des Vaters noch der Mutter hatte, war sie gezwungen, sich um alles alleine zu kümmern. Nein, dachte sie mit einem kleinen Lächeln, nicht alleine. Molly war ihr wirklich eine große Stütze gewesen und hatte sie oft tröstend in die Arme genommen. Auch beim Ausräumen ihrer elterlichen Wohnung war es Molly gewesen, die sie vor allem emotional aufgefangen hatte.
    Der Gedanke, das Versprechen ihrer Mutter einzulösen war ihr erst wieder gekommen, als der Direktor des Museums, in dem sie arbeitete, ihr unmissverständlich klargemacht hatte, dass sie gefälligst wieder bei der Arbeit aufzutauchen hatte. Durch ihre Mutter hatte Mary die Liebe zu Schottland und deren Geschichte geerbt und diese deshalb auch nach ihrem Schulabschluss studiert. Da sie von klein auf Gälisch mit ihrer Mutter gesprochen hatte, besaß sie außergewöhnlich gute Kenntnisse dieser alten Sprache und war schließlich eine der jüngsten Absolventinnen an der Universität gewesen. Was ihr auch den heißbegehrten Job an dem Historischen Museum in Durham eingebracht hatte. Leider war das Arbeitsklima dort alles anders als gut. Der Direktor war nur an Profit und öffentlichem Ansehen interessiert, während Megan die Geschichten der einzelnen Exponate am Herzen lagen. Da sie sich schon in kürzester Zeit durch ihre gute Arbeit ein hohes Ansehen erarbeitet hatte, es konnte schon mal passieren, dass sie die Zeit über ein neues Projekt vergaß und die Nacht durcharbeitete, war sie entsprechend gefragt. Ihre Arbeit hatte ihr immer viel Spaß gemacht und es war ihr egal gewesen, dass Studienfreunde sie verspotteten und meinten, sie würde mehr in der Vergangenheit leben als in der spannenden Gegenwart. Sie ließ die Spötteleien kommentarlos über sich ergehen, denn nach einer schmerzhaften Erfahrung war sie zu der Überzeugung gekommen: lieber ein gutes Buch als schlechte Gesellschaft.
    Doch als der Direktor so kaltherzig nach dem Tod ihrer Eltern reagierte, folgte sie einem inneren Impuls heraus und kündigte. Im Nachhinein muss es ein komisches Bild gewesen sein: sie, mit ihrer stattlichen Größe von fast 1,80m, wie sie ruhig vor dem fast einen Kopf kleineren Direktor gestanden und ihm ihren Entschluss mitgeteilte hatte, der daraufhin eine sehr ungesunde blasse Gesichtsfarbe angenommen hatte. Noch immer dachte sie zufrieden an seine geschockte Miene und seine verzweifelten Versuche, sie zum Bleiben zu bewegen.
    Und nun sitze ich hier mitten in den einsamen Highlands, knabbere ein paar trockene Haferflockenkekse und spüle sie mit Tee hinunter, dachte Megan kopfschüttelnd. Gedankenverloren drehte sie am ungewohnten Siegelring. Seit ihre Mutter ihn ihr auf dem Sterbebett in die Hand gedrückt hatte, hatte sie ihn nicht mehr abgenommen. Der schwere, silberfarbene Ring war ursprünglich eindeutig für eine Männerhand angefertigt worden und eigentlich viel zu wuchtig für die grazile Hand ihrer Mutter gewesen. Doch sie hatte ihn stets getragen und auf Nachfragen nur geheimnisvoll und ein wenig melancholisch gelächelt. Mit seiner sechseckigen grünen, von Silber umfassten Platte und den Einlegearbeiten aus Perlmutt, die ein Wildschwein mit einem Knochen im Maul darstellten, ähnelte er einem alten Siegelring.
    Sie schüttelte die letzten bedrückenden Gedanken
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