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Der Schock: Psychothriller (German Edition)

Der Schock: Psychothriller (German Edition)

Titel: Der Schock: Psychothriller (German Edition)
Autoren: Marc Raabe
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Die sind zum Teil mit über zwei Promille eingeliefert worden, zum zigsten Mal, und … die wollten alles Mögliche, aber ganz sicher keine Hilfe von einem ahnungslosen Berufsanfänger. Außer ich hätte ihnen Schnaps gebracht.«
    Sie hatte ihn angestarrt, mit einem seltsamen Gesichtsausdruck. Irgendwie wütend und genauso verletzt wie er, als hätte er einen wunden Punkt getroffen. »Du meinst, es braucht immer nur der Hilfe, der um Hilfe bittet?«
    »Willst du jetzt etwa ernsthaft mit mir über die Psychologie von Alkoholikern diskutieren?«, fragte er.
    Ihr Blick flackerte kurz. Stumm sah sie an ihm vorbei in die Dunkelheit, mit leerem Blick, dahin, wo das Meer lag.
    »Nein, will ich nicht«, sagte sie rau, drehte sich um und öffnete die Tür. Ihre Silhouette zeichnete sich scharf vor dem Licht im Innern ab.
    Warum reagierte sie so empfindlich? Konnte es etwa sein, dass … Er stutzte. Ihm fiel plötzlich ein, dass Laura die Einzige gewesen war, die am Abend partout keinen Wein hatte trinken wollen.
    »Laura, ich –«
    Sie hob ihre Hand und schnitt ihm das Wort ab, ohne sich noch einmal zu ihm umzudrehen. Das Geräusch, mit dem sie die Tür zuzog, war wie ein Déjà-vu. Nur ein einziges Geräusch hatte sich ebenso tief in seine Erinnerung gebrannt wie diese Tür: das Schliddern von Reifen auf regennassem Asphalt, nahtlos gefolgt von berstendem Glas und gestauchtem Metall.
    Die Sache mit der Tür, das war nach dem Unfall. Er war damals gerade zehn geworden. Seine Mutter hatte wohl gedacht, er würde schlafen. Doch er schlief nicht. Und hörte die Tür. Rasch stand er auf, ging zum Fenster seines Zimmers im ersten Stock und sah sie da draußen, wie sie ihren hellen Lederkoffer mit Rollen hinter sich herzog. Sein Herz krampfte sich zusammen. Er öffnete hastig das Fenster. Kalte Luft schlug ihm ins Gesicht, die Furcht raubte ihm fast den Atem. »Mama?«
    Sie zuckte zusammen.
    Irgendwie hatte er erwartet, nein, er hatte sich gewünscht, dass sie sich umdrehen würde. Aber sie duckte sich nur, zog den Kopf zwischen die Schultern, und ihre Schritte wurden schneller.
    » Mama! Wo gehst du hin?«
    Keine Antwort. Kein Blick. Nur eisige Luft.
    In den ersten Wochen war er wie paralysiert gewesen. Dann kamen die Wut und die Leere. Nicht einmal einen Brief hatte sie dagelassen. Später wurde ihm klar, dass es das nicht besser gemacht hätte. Er kannte ja den Grund. Es war wegen Theo. Weil Theo nicht mehr lebte. Weil er nicht gut genug auf ihn aufgepasst hatte.
    Jan sah durch das Tropfenmuster auf der großen Panoramascheibe und wischte die Erinnerungen beiseite. Seit Katys Anruf waren inzwischen über zwanzig Minuten vergangen, und er hatte weder Laura noch sie erreichen können.
    Irgendetwas war seltsam, das spürte er.
    Also ging er hinunter in den Flur, stieg in die alten Gummistiefel seines Vaters, zog sich die viel zu dünne Regenjacke über und nahm den einzigen noch vorhandenen Schirm vom Garderobenhaken, einen ausgeleierten schwarzen Knirps, und dazu noch eine LED-Taschenlampe.
    Der Schirm war ein Witz. Eher etwas für die Damenhandtasche als für raues Wetter an der Küste. Als das Wasser auf den gespannten Stoff prasselte, war er dennoch froh. Er schaltete die Taschenlampe ein, stemmte den Schirm gegen den Wind und stiefelte los. Die Regentropfen blitzten im weißen Lichtkegel, und eine Haut aus Wasser überzog den Asphalt.
    Er folgte der schmalen Bergstraße, die sich vom Haus nach Èze hinauf wand, einem Ort mit etwa 2500 Einwohnern, der einsam auf einer Bergkuppe thronte, 403 Meter über dem Meer. Von dort führte die Straße hinunter bis an die Küste.
    Am Ortsausgang von Èze betrat er das Viadukt.
    Er ging im sicheren Abstand zum Geländer. Windböen zerrten an ihm, und die Schlucht schien ihn in die Tiefe ziehen zu wollen.
    Der Tunnel am Ende des Viadukts war eine Wohltat, windgeschützt und trocken, auch wenn er mit gerade 30 Schrittlängen deutlich kürzer war als der zweite Tunnel, der weiter unten lag, kurz vor Beaulieu-sur-Mer.
    Jans Schritte hallten von den schrundigen Felswänden wider. Wasser floss den Asphalt bergab; es klang wie das Wispern von Berggeistern.
    Kaum trat er aus dem Schutz des Tunnels, erfasste ihn eine Böe und riss ihm den Knirps aus der Hand. Jan stolperte hinterher, aber das dürre Drahtgestell überschlug sich, wurde vom Wind über den Mittelstreifen geschleift, sprang dann über die Leitplanke und trudelte in den Abgrund.
    Jan fluchte und zog die Kapuze enger. Nach nicht
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