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Der Schiffsjunge der Santa Maria

Der Schiffsjunge der Santa Maria

Titel: Der Schiffsjunge der Santa Maria
Autoren: Frank Schwieger
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erschreckt zusammen. Seit einer halben Stunde hatte er wortlos in Richtung Westen gestarrt.
    »Polifemo! Du hast gesagt, du wüsstest mehr über ihn.«
    »Ah, si si, Polifemo. Ich nur gehort ein paar Sache. Weiß nicht, ob alles stimmen.«
    »Ich würde es trotzdem gerne hören.«
    »Also«, Jacomo beugte sich hinunter zu Luis, der einen guten Kopf kleiner war als er. »Auf letzte Reise mit Polifemo mir eine Matrose habe erzählt, dass Polifemo isse gewesen Pirat.«
    »Was?« Luis verschlug es die Sprache.
    »Er habe gelebt viele Jahre in Nest von Piraten. Doch dann isse, wie heißen? Weggehauen.«
    »Abgehauen.«
    »Si, isse abgehauen von andere Piraten. Isse dann nach Cádiz gekommen.«
    »Nach Cádiz?« Luis kannte diese Stadt, er war dort aufgewachsen.
    »Si, nach Cádiz. Isse dann mit Kapitän Pinzón gefahren. Du kennen Pinzón: Isse Kapitän von Pinta.«
    Er zeigte hinaus auf das dunkle Meer, wo die Pinta etwa eine Meile vor ihnen durch die Wellen pflügte. Luis nickte und runzelte die Stirn.
    »Aber er wirkt gar nicht wie ein Pirat. Obwohl er so aussieht. Und obwohl er so unheimlich ist.«
    »Si si, Polifemo isse bestimmt gute Mensch. Isse, wie heißen, Schaf mit Kuhpelz.«
    Luis grinste. »Schaf im Wolfspelz. Und du meinst, sein wirklicher Name ist gar nicht Polifemo?«
    Jacomo nickte. »Ich nur nicht wisse, wie wirklich heiße.«
    »Hat er eine Familie?«
    Jacomo schüttelte den Kopf. »Matrose mir habe erzählt, dass Polifemo habe verloren ganze Familie. Darum auch so traurig.«
    »Das kann ich gut verstehen.«
    »Du habe auch Familie verloren, nicht wahr? Bei Einsturz von Haus.«
    »Bei was?« Luis wusste einen Augenblick lang nicht, was Jacomo meinte. Dann fiel es ihm wieder ein. »Ach ja, na klar. Bei diesem Einsturz. Ja, das war   …«
    Er stockte. Sein Blick war auf einen Streifen am Horizont gefallen. Ein feiner dunkler Streifen zwischen dem Himmel und dem Meer. Ein eiskalter Schauder lief ihm den Rücken hinunter.
    »Jacomo«, wisperte er. »Guck mal, da vorne.« Seine Hand zitterte, als er auf den Streifen zeigte.
    »Wo?«, fragte Jacomo aufgeregt. Er beugte sich weit über die Bordwand. »Ich nix sehen.«
    »Da ist Land«, hauchte Luis. Sein Mund war ganz trocken geworden.
    »Da isse nix Land, Miguel. Du habe Fata Morgana. Du nix kriege Belohnung für Spiegelung in Luft. Du musse   …«
    Jetzt versagte auch Jacomo die Stimme. Sein Mund stand weit offen, seine Finger krallten sich an der Bordwand fest. »Da isse wirklich Land.«
    Im nächsten Augenblick hörten sie einen Kanonenschuss von der Pinta, das verabredete Zeichen. Eswar zwei Uhr morgens, am Freitag, dem 12.   Oktober im Jahre des Herrn 1492.
    Die Männer auf der Santa Maria schrien und weinten vor Freude, einige sangen oder beteten, die meisten fielen sich ausgelassen in die Arme oder sprangen wie kleine Kinder jauchzend über das Deck. Jeder konnte jetzt den Streifen Land sehen, der etwa sechs Seemeilen vor ihnen lag. Luis bemerkte den Admiral. Er war auf das Vorderdeck gekommen, schaute auf das Land   – und hatte Tränen in den Augen.
    »Das ist Indien!«, rief Luis ihm zu. »Oder Zipangu. Ihr habt es geschafft, Don Christoph!«
    Kolumbus legte ihm eine Hand auf die Schulter. »
Wir
haben es geschafft, mein Junge. Sobald die Sonne aufgeht, gehen wir an Land.«
    »Erzähl ihm«, raunte Jacomo Luis ins Ohr, »dass du gesehen Land als Erster! Nicht die Leute auf Pinta. Du kriege Belohnung.«
    Luis winkte ab. Wie sollte er das beweisen? Etwas anderes war ihm wichtiger. »Don Christoph, dürfte ich vielleicht mitkommen, wenn Ihr morgen an Land geht?«
    Kolumbus lächelte. »Aber sicher. Du und Ramon. Das habt ihr euch verdient. Und natürlich Polifemo,Peralonso, Jacomo und ein paar andere. In drei Stunden lassen wir das Boot zu Wasser.«
    Kolumbus ließ die Segel einholen und die Schiffe beilegen. In der Dunkelheit war es zu riskant, sich dem Land weiter zu nähern. Zu groß war die Gefahr, auf ein unter Wasser verborgenes Riff zu laufen.
     
    Gegen fünf Uhr dann, im ersten Schimmer des neuen Tages, konnten die Männer erkennen, dass sie eine Insel entdeckt hatten. Sie lag jetzt deutlich vor ihnen. Gehörte sie zu Zipangu? Oder gar zu Indien?
    Vorsichtig fuhren die drei Schiffe auf sie zu. Heute musste niemand die Ampolleta umdrehen. Luis stand die meiste Zeit vorne am Bug, um alles genau verfolgen zu können. Er sah einen weißen Sandstrand, dahinter begann ein leuchtend grüner Wald. Bald schon konnte Luis das Zwitschern von
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