Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schatz von Blackhope Hall

Der Schatz von Blackhope Hall

Titel: Der Schatz von Blackhope Hall
Autoren: Candace Camp
Vom Netzwerk:
herab. Durch ihre äußere Erscheinung fühlte sie sich benachteiligt, und der unverwandte Blick der silbergrauen Augen verstärkte ihr Unbehagen. Aber sie würde sich von diesem Mann nicht einschüchtern lassen. Sie wusste, dass sie klein war und unscheinbar wirkte – ein kleiner brauner Zaunkönig, so schätzte sie sich ein, vor allem, wenn sie ihre Person mit attraktiven Verwandten verglich. Doch sie hatte gelernt, ihre Mängel durch ein selbstsicheres Auftreten wettzumachen.
    Verächtlich musterte sie die Hand des Fremden auf ihrem Oberarm. "Ich fordere Sie auf, Ihr unverschämtes Verhalten sofort zu beenden."
    "Nun, ich finde, Sie sollten der Allgemeinheit erläutern, was Sie im Schilde führen", entgegnete er. Immerhin lockerte er seinen Griff und tat ihr nicht mehr weh. "Warum sind Sie im Zimmer umhergeschlichen? Wollten Sie sich als Besucherin aus dem Jenseits präsentieren?" fügte er ironisch hinzu.
    "Natürlich nicht!" Brennend stieg ihr das Blut in die Wangen, und sie spürte, dass sie von der ganzen Versammlung angestarrt wurde. "Wie können Sie es wagen?"
    "Sir, das sind wohl kaum die Manieren eines Gentleman", meldete sich ein korpulenter Mann mit üppigem Schnurrbart und langen, lockigen Koteletten zu Wort. Damit will er wohl von seiner Glatze ablenken, vermutete Olivia.
    Ihr Peiniger gönnte ihm keinen Blick und ließ sie nicht aus den Augen. "Also? Was hatten Sie vor?"
    Jetzt mischte sich ein anderer Gast ein. "Tut mir Leid, Miss, es ist seltsam – aber ich fürchte, ich erinnere mich nicht an Ihren Namen."
    Das tat sie unglücklicherweise auch nicht. Zumindest entsann sie sich nicht, unter welchem Namen sie sich den Leuten bei ihrer Ankunft vorgestellt hatte. Gewiss hatte sie nicht ihren richtigen angegeben. Was das betraf, war ihr Äußeres, das sie für unscheinbar hielt, ein Segen. Denn es gestattete ihr, an den Sitzungen unerkannt teilzunehmen, solange sie einen falschen Namen benutzte. Welch ein Pech, dass sie über den Aufregungen der letzten Minuten vergessen hatte, wie sie an diesem Abend hieß …
    "Comstock!" platzte sie heraus. Plötzlich fiel es ihr wieder ein. Aber die Mienen rings um den Tisch drückten unverhohlene Skepsis aus, weil sie etwas zu lange gezögert hatte. Offensichtlich glaubte man ihr nicht.
    "Sehr überzeugend …", bemerkte der Mann sarkastisch, der ihren Arm immer noch umklammerte. "Warum weihen Sie uns nicht in Ihre Pläne ein, Miss Comstock? Wollten Sie sich ein Laken über den Kopf hängen? Oder einfach nur qualvoll stöhnen?"
    "Was zum Teufel wollen Sie damit andeuten?" Erbost sprang einer der Männer auf. "Glauben Sie etwa, ich würde in meinem Haus irgendwelche verdammten Winkelzüge dulden?" Dann wandte er sich zerknirscht an die Frau an seiner Seite. "Nimm mir meine Ausdrucksweise nicht übel, Liebes. Auch die anderen Damen muss ich um Entschuldigung bitten. Vor lauter Zorn ließ ich mich hinreißen …"
    "Was soll das alles, St. Leger?" fragte der Mann ärgerlich, der neben Olivias Herausforderer saß. Dann ersuchte er den entrüsteten Gastgeber: "Verzeihen Sie, Colonel, es lag sicher nicht in Lord St. Legers Absicht, respektlos zu erscheinen."
    "Selbstverständlich nicht, Colonel", bestätigte Lord St. Leger. "Wie ich annehme, wurden auch Sie hintergangen."
    "Hintergangen?" Die Augen der Gastgeberin drohten aus den Höhlen zu quellen.
    Aus dem Kasten drang ein Stöhnen, das dramatisch anschwoll, als niemand darauf achtete.
    Bestürzt erhob sich die Frau des Colonels. "Oh Gott, Mrs. Terhune! Wie konnten wir Sie nur vergessen?"
    Einer der Männer eilte zum Schrank des Mediums und öffnete die Tür. Dahinter saß die grauhaarige Mrs. Terhune auf einem Stuhl, an Händen und Füßen gefesselt, so wie sie vor mehreren Minuten eingeschlossen worden war. Der Gast und die Gemahlin des Colonels befreiten sie von den Stricken.
    Zynisch beobachtete Olivia, wie mühelos sich die Fesseln entfernen ließen. Wahrscheinlich hatte das Medium sie selbst abgestreift und dann hastig wieder um Handgelenke und Fußknöchel geschlungen, als die lauten Stimmen erklungen waren.
    "Da sehen Sie, was Sie angerichtet haben!" warf Olivia Seiner Lordschaft vor.
    Gelassen zog St. Leger die Brauen hoch. "Was habe ich denn verbrochen?"
    "Durch Ihre Schuld wurde die Sitzung gestört."
    Ein Lächeln veränderte seine Züge auf erstaunliche Weise, und Olivias Atem stockte. "Ja, zweifellos", gab er zu. "Pardon, Miss Comstock, ich hätte Ihnen erlauben müssen, Ihr Possenspiel zu beenden, bevor
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher