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Der Schatz des Blutes

Der Schatz des Blutes

Titel: Der Schatz des Blutes
Autoren: Jack Whyte
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ebenfalls vor Jahren bereits begegnet, als William 1066 in England einmarschierte.
    Im Jahr nach diesem Besuch war William bei einem Reitunfall umgekommen, und seine Krone in England war an einen seiner Söhne übergegangen. Dieser hieß ebenfalls William und wurde William Rufus genannt, weil er rotes Haar und ein leicht entflammbares Temperament hatte. Den Berichten aus England zufolge war Rufus ein barbarischer Tyrann, der von aller Welt verachtet wurde. Doch irgendwie hatte St. Clair es vollbracht, nach seiner Nähe zum Vater auch in den Augen des Sohnes Akzeptanz zu finden, etwas, das nur wenigen Günstlingen des alten Königs gelungen war.
    Nun, da er mit St. Clair die Treppe hinunterstieg, überraschte es Hugh nicht, dass der neue englische König dem großen Ritter Respekt zollte, denn Sir Stephen St. Clair besaß einen makellosen Ruf, und seine Statur spiegelte seine Würde wider. Obwohl er sich eine Stufe tiefer befand als Hugh, überragte er den jüngeren Mann noch, denn er war fast eine Handspanne größer als Hugh. Er war zweiundvierzig, hatte seine Mannesblüte kaum hinter sich, ein Gigant, der nicht nur die meisten Männer körperlich überragte, sondern ihnen zudem allen moralisch überlegen war. Und hier war er nun leibhaftig in Payens, und Hugh ging mit ihm spazieren – ganz gleich, was der wirkliche Grund für seine Anwesenheit war.
    Die bevorstehende Zusammenkunft war seit Monaten geplant, und die Weihe hatte Sir Stephen einen wunderbaren Grund geliefert, zu Ehren des Sohnes seines besten Freundes heim nach Frankreich zu reisen und seine Weihe zu einem noch denkwürdigeren Anlass zu machen – eine große Ehre, die Hugh kommentarlos, jedoch nicht ohne Vorbehalt registrierte, denn selbst jetzt, weniger als einen Tag vor der Zusammenkunft, hatte er noch keine Ahnung, was diese Weihe war und worin sie bestand.
    Da man das Ganze so ernst und überzeugend an ihn herangetragen hatte, wusste er jedoch, dass ihm der Begriff zwar jetzt noch nichts sagte, das Ereignis jedoch von großer Wichtigkeit für seine Zukunft sein würde.
    Als er das Wort zum ersten Mal aus dem Mund seines Vaters gehört hatte – die Weihe –, hatte die Stimme des Barons bedeutungsschwer geklungen, und er hatte es deutlich betont. Das war vor neun Monaten gewesen. Hugh hatte natürlich auf der Stelle gefragt, was es bedeutete, doch die Antwort des Barons war eigentlich keine Antwort gewesen. Er war ein wenig aufbrausend geworden, hatte versucht, das Thema mit einer Handbewegung abzutun, und sich geweigert, noch etwas dazu zu sagen, außer dass Hugh schon alles darüber erfahren würde, wenn der Zeitpunkt kam. In der Zwischenzeit jedoch müsse er beginnen, sich darauf vorzubereiten, da es das wichtigste und bedeutendste Ereignis in seinem Leben sein werde.
    Diese Worte hatten seinen Sohn überrascht verstummen lassen, denn bis zu diesem Gespräch hatte er gedacht, es könnte nichts Wichtigeres und Bedeutenderes als den Ritterschlag geben.
    Doch er wurde innerhalb kürzester Zeit eines anderen belehrt, denn diese angekündigte Zeremonie, diese Weihe, war so wichtig, dass sowohl sein Vater, der Baron, als auch der Vater seiner Mutter, Lord Baldwin von Montdidier, seine persönlichen Lehrer geworden waren und ihn ebenso geduldig wie gründlich in allem unterwiesen hatte, was damit zusammenhing. Und bevor sie damit begonnen hatten, hatte er schwören müssen, das Gelernte niemals zu enthüllen.
    Seitdem arbeitete Hugh härter daran, als er je an etwas anderem gearbeitet hatte. Seine Aufgabe war es, die Antworten für die Zeremonie in Perfektion auswendig zu lernen, und dies erwies sich als schwieriger und erschöpfender als das härteste Waffentraining. Zwar brachte er die Antworten inzwischen einigermaßen flüssig heraus, doch er hatte nicht die geringste Vorstellung von ihrer Bedeutung, weder im wörtlichen noch im übertragenen Sinn. Und jetzt war es nur noch ein Tag bis zu dem großen Ereignis, in dessen Verlauf ihm sämtliche Einzelheiten und Rätsel – die Zusammenkunft selbst, die Bedeutung der Zeremonien und Riten und natürlich der Tatsache, dass Sir Stephen aus England angereist war – klar werden würden.
    »Ich fühle mich leicht wie eine Feder«, sagte der hünenhafte Mann unerwartet über seine Schulter hinweg, während er sich geschickt über die breite, flache Treppe bewegte. Damit holte er Hughs Aufmerksamkeit abrupt in die Gegenwart zurück.
    »Keine Rüstung und keine Waffen …«
    Er streckte die Arme rechts und
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