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Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial

Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial

Titel: Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial
Autoren: Maggie Furey
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Damit musst du dich selbst meinen, wenn ich recht verstehe – und den spektakulären Erfolg berücksichtige, den du in den vergangenen Monaten bei dem Versuch hattest, Myrials Aufmerksamkeit zu erringen, habe ich Recht?«
    Zavahl knirschte mit den Zähnen. Darauf gab es nichts zu erwidern – und das wusste Blank. In dem harten Gesicht des Hauptmanns hatte noch niemand ein aufrichtiges Lächeln erblickt, doch immerhin entdeckte Zavahl nun ein triumphierendes Funkeln in den eisengrauen Augen. Blank war kein Dummkopf. Er besaß im Gegenteil einen wachen Geist und hatte bereits erkannt, dass Zavahl bald würde sterben müssen. Und seine nächste spitze Bemerkung diente nur dazu, diese Vermutung zu bestätigen.
    »Ich bitte, mich zu entschuldigen, Hierarch, ich will nicht noch mehr von deiner kostbaren Zeit in Anspruch nehmen«, sagte er, machte auf dem Absatz kehrt und verließ den Tempel. Sein forscher Schritt hallte in dem weiten Gewölbe wider.
    Zavahl blickte ihm nach und bat in einem Ausbruch gehässiger Wut, dass Myrial den Bastard erschlagen möge. Doch auch dieses Gebet erbrachte dasselbe Ergebnis wie alle anderen. Und seine Zeit lief ab. Zwei Tage. Das war alles, was ihm noch blieb. Kostbare Zeit, o ja. Ohne ein Wunder war er zum Sterben verurteilt.
     
    Im Eingang des Tempels blieb Blank stehen und drehte sich nach Zavahl um. Der Hierarch stand reglos da, die Schultern gebeugt in müder Ergebung. Du erbärmlicher Narr, dachte der Hauptmann. Das Schlimmste für dich ist, dass du niemals erfahren wirst, warum deine Welt zusammenbricht.
    Und er holte einen Goldring mit einem großen roten Stein hervor, der selbst im trüben Zwielicht des Regentages funkelte und strahlte. Der Ring schien eine exakte Nachbildung desjenigen zu sein, den der Hierarch trug – doch war es genau umgekehrt: Die Nachbildung steckte an Zavahls Finger. Du wirst keine Antwort von deinem Gott bekommen, mein Freund, dachte Blank. Wenn du wirklich wissen willst, warum du Myrials Gunst verloren hast brauchst du nur hierher zu sehen. Lächelnd ließ er den kostbaren Ring – den Schlüssel zum Auge Myrials – wieder in die Tasche gleiten und setzte seinen Weg fort.

 
     
    Der Morgen war friedlich und klarer, die Sonne schien in das Tal der zwei Seen und wärmte seine weiten Auen. Gleich an den zerstreut stehenden grauen Steinhäusern und dem Turm der Kundschafter, der wie ein warnender Finger in den Himmel zeigte, glänzte der untere See freudig wie eine neugeborene Seele. Die Forellen sprangen und kräuselten die Wasseroberfläche, und überall im Uferschilf blitzte das weiße Gefieder der Wasservögel. Libellen sausten pfeilschnell dahin oder standen schillernd in der warmen Luft. Ein schwacher Wind ging, flüsterte in den Eichen und wehte über die Hügellandschaft, die sich in einem weiten Bogen um den See erstreckte. Die Bewohner des Dorfes, das schon seit langer Zeit den Schattenbund versorgte, fischten bereits emsig auf dem Wasser und beschäftigten sich am Ufer mit dem Vogelfang. Aus dem schönen Tag, der auf eine lange Schlechtwetterperiode folgte, machten sie das Beste: Sie schwatzten und sangen. Fröhliche Stimmen mischten sich mit dem Gezwitscher der Vögel.
    Weit draußen auf dem See durchbrach eine schäumende Fontäne unbemerkt vom fleißigen Volk die ruhige Wasseroberfläche. Ein glatter, stumpfnasiger Kopf tauchte auf, gefolgt von einem langen, schlanken Hals. Der dunkle Buckel des massigen Rumpfes lag als verzerrter Umriss unter Wasser, und weit dahinter klatschte der geschmeidige Schwanz auf die Wellen. Im silbrigen Kielwasser, das der Hals schlug, glitt das Ungeheuer schnell dahin und hielt zielstrebig auf die Gruppe hilfloser Frauen zu, die am Ufer ihre Wäsche wuschen.
    Die Bugwelle, die die herannahende Kreatur vor sich her trieb, erreichte das seichte Ufer, überflutete den Kieselstrand und tauchte die Wäscherinnen bis zu den Knien ein. Die stattlichste aus der Gruppe hob ihren kräftigen Arm und drohte mit der Faust. »Die Pest soll dich holen, Afanc! Mach, dass du fortkommst, du Tollpatsch – ausgerechnet hier den Schlamm so aufzuwühlen! Die ganze Morgenarbeit ist zunichte – alle Laken müssen noch einmal gewaschen werden, und wer soll das tun, möchte ich wissen? Du nicht, so viel ist sicher, du Riesentölpel!«
    Mit einem Schrei der Bestürzung bremste das Ungeheuer seine Fahrt, erzeugte einen mächtigen Wasserwirbel und handelte sich einen Chor von Drohungen ein. Beschämt senkte es sein Haupt unter die
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