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Der Schatten des Schwans

Der Schatten des Schwans

Titel: Der Schatten des Schwans
Autoren: Ulrich Ritzel
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den Parkplatz, wo sie ihren Porsche abgestellt hatte. Ein städtischer Lieferwagen war so dicht daneben geparkt, dass sie sich nur mit Mühe auf den Fahrersitz hätte quetschen können. In dem Wagen saß ein Mann. Er schien Frühstückspause zu machen oder zu dösen. Sie verstaute die Sporttasche in ihrem Kofferraum und ging dann zu dem Mann hinüber. Sie klopfte ans Seitenfenster.
    Der Mann schien hochzuschrecken. Er öffnete die Tür und stieg aus.
    »Sie blockieren meine Türe«, sagte Nike. »Fahren Sie bitte raus, dass ich einsteigen kann.«
    Der Mann sah sie an. Plötzlich packte er sie am rechten Handgelenk. Mit der anderen Hand hielt er ihr ein schmales, dünnes glitzerndes Ding vor die Augen. »Ganz ruhig«, sagte der Mann. »Keine unbedachte Bewegung. Nicht schreien. Dieses Messer macht scheußliche Verletzungen. Sie würden nie wieder Tennis spielen können.«
    Erst jetzt erkannte Nike, was der Mann in der Hand hielt.

Freitag, 20. Februar, 11 Uhr
    Vor der Zinglerbrücke ließ Englin, der die Einsatzleitung übernommen hatte, die Zufahrtsstraße räumen, damit er den Wasserwerfer in Stellung bringen konnte. Drei vermummte junge Männer befestigten Stahlkarabiner am Brückengeländer und begannen damit, sich vorsichtig am Fahrleitungsdraht vorbei in den lichten Raum über den Bahngleisen hinabzulassen.
    Im Wagen der Einsatzleitung wurde ein Anruf an Englin durchgestellt. Er nahm den Hörer auf.

    »Nein«, sagte er dann und spürte, dass das Zucken seines Lids überhaupt nicht mehr aufhören wollte. »Nicht auch das noch.« Dann fiel ihm etwas ein. »Berndorf soll das übernehmen. Wozu ist er wieder da?«
     
    Die Durchsuchung der Villa Twienholt-Schülin war abgeschlossen, ebenso die der Kanzlei des Wirtschaftsanwalts Schülin. Dort, in dem Bürohaus auf der Promenade, hatte Tamar den Einsatz geleitet. Eberhard Schülin hatte sich entschlossen, das Vorgehen der Polizei mit der Miene eisiger Verachtung zu ertragen. Neben ihm stand seine Sekretärin, eine auffallend junge Frau mit langen dunklen Haaren. Aus den mandelförmigen dunklen Augen, mit denen sie Tamar fixierte, sprühte kalter Hass.
    Tu nicht so, Mädchen, dachte Tamar. Ich weiß, warum du dich neben dem Anzugträger da aufgebaut hast.
    Schülin protestierte erst, als Tamar verlangte, er möge seinen Tresor öffnen. »Ich bewahre hier vertrauliche Unterlagen meiner Mandanten auf. Sie sind durch das Anwaltsgeheimnis geschützt.« Tamar schüttelte den Kopf und tippte nur kurz auf den Hausdurchsuchungsbefehl, den sie ihm auf den Schreibtisch gelegt hatte.
    Schülin hob resignierend beide Hände. Als er sich zum Tresor wandte, glaubte Tamar ein schmales Lächeln auf seinem Gesicht zu sehen. In dem Tresor waren Kontoauszüge, Depotaufstellungen, Vertragsentwürfe und zwei Handlungsvollmachten. Es war nicht sehr eindrucksvoll, fand Tamar. Nichts, was nach dem wirklich großen Geld aussah. Bei einem Anwalt mit einem solchen Büro hätte sie mehr erwartet.
    Dann wollte sie noch seinen Wagen sehen. Schülin zuckte gleichgültig mit den Achseln. Er ging ihr voran nach unten auf den Parkplatz und öffnete seinen BMW.
    Tamar warf einen Blick in den Kofferraum und sah dann den Innenraum durch. »Wohin sind Sie eigentlich mit dem Passat gefahren, den Sie in Nürnberg gemietet haben?«, fragte
sie in beiläufigem Ton und öffnete das Handschuhfach. Sie glaubte zu spüren, wie von Schülin ein Stück seiner Selbstgefälligkeit abfiel.
    »Ich sehe überhaupt keinen Grund, mit Ihnen zu kooperieren«, sagte er feindselig.
    Zusammengeknüllt lag im Handschuhfach ein Paar weißer Handschuhe.
    »Ach!«, sagte Tamar. »Haben Sie bei einem Unfall erste Hilfe geleistet?«
    In diesem Augenblick begann der Polizeifunk zu quäken. Tamar steckte die Gummihandschuhe in eine Klarsichthülle und ging damit zu ihrem Wagen. Sie hörte Berndorfs Stimme: »Tamar, sichern Sie bitte alles und kommen Sie dann zum Münsterplatz. Wir haben hier eine Geiselnahme.«
     
    Polizisten, die eilig vom Hauptbahnhof hergeholt worden waren, zogen Absperrungen um den Platz vor dem Münster. Tamar parkte ihren Wagen vor dem neuen Stadthaus mit seinen runden weißen Wänden und Durchgängen. Am Hauptportal des Münsters hatten Polizisten Stellung bezogen, als müssten sie die Kirche im Häuserkampf nehmen. Zwischen Streifenwagen sah Tamar den grünen Kleinbus der Einsatzleitung. Sie erkannte darin Berndorf, der konzentriert in ein Telefon sprach. Kurz sah er auf und winkte ihr zu. Neben dem Wagen
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