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Der Schatten des Chamaeleons

Titel: Der Schatten des Chamaeleons
Autoren: Minette Walters Mechtild Sandberg-Ciletti
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Hand.«
    Acland erfuhr, dass er acht Wochen auf einem der britischen Militärstützpunkte bei Basra stationiert gewesen war. Er hatte das Kommando über einen zwölf Mann starken Spähtrupp mit vier Scimitar-Fahrzeugen übernommen, dessen Aufgabe es war, Übergänge der Aufständischen entlang der Grenze zwischen Irak und Iran auszukundschaften. Er führte mit seinen Leuten zwei Aufklärungsunternehmen aus, jedes von drei Wochen Dauer, die von seinem Kommandeur als »äußerst erfolgreich« bezeichnet wurden. Nach einigen Tagen Erholungsurlaub wurde seine Einheit einem Konvoi auf der Straße Bagdad-Basra zur Aufklärung vorausgeschickt. Als Zugführer befand sich Acland mit seinen zwei erfahrensten Leuten, den Corporals Barry Williams und Doug Hughes, in dem Scimitar an der Spitze. Das Fahrzeug wurde von einem unkonventionellen Sprengkörper, der am Straßenrand vergraben war, getroffen. Die beiden Corporals kamen bei der Explosion ums Leben, Acland jedoch wurde aus dem
Fahrzeug herausgeschleudert. Alle drei Männer waren für eine Auszeichnung vorgeschlagen.
    Willis hielt dem jungen Lieutenant ein Blatt Papier hin. Es war der Ausdruck eines Zeitungsartikels mit der Schlagzeile Unsere Helden . Daneben, unter einer Fotografie von ihm bei seiner Rekrutenfeier, waren zwei Aufnahmen von lächelnden Männern mit ihren Frauen und Kindern. Die Unterschrift lautete: Schwer geprüfte Familien trauern um tapfere Väter . Unter seinem Bild stand: Schwer verwundet, aber am Leben.
    »Erkennen Sie sie, Charles? Das hier -«, er zeigte auf die Fotos, »- ist Barry Williams. Und das ist Doug Hughes.«
    Acland starrte die Gesichter an und versuchte, sie wiederzuerkennen - irgendein besonderes Merkmal, das Lächeln -, aber sie waren ihm fremd. Er unterdrückte die Panik, die unweigerlich in ihm aufstieg. Er hatte mit diesen Männern auf zwei ausgedehnten Aufklärungsunternehmen im selben Fahrzeug gesessen und kannte sie. Oder hätte sie kennen müssen. Er begriff nicht, wie er sie vergessen konnte. »Nein.«
    Vielleicht bemerkte Willis seine Betroffenheit; er sagte jedenfalls, Acland solle sich keine Gedanken machen. »Ihr Kopf hat ganz schön was abbekommen. Kein Wunder, dass Ihr Gedächtnis gelitten hat. Im Allgemeinen ist es nur eine Frage der Zeit, wann die Erinnerungen zurückkehren.«
    »Chuie chang?«
    »Wie lang? Das hängt von der Schwere der Gehirnerschütterung ab. Ein paar Tage vielleicht. Es wird Ihnen nicht alles gleichzeitig wieder einfallen... Das geht eher Schritt für Schritt, aber -« Er brach ab, als Acland den Kopf schüttelte.
    »Chuie chang -«, er tippte sich auf die Brust, »- chier?«
    »Wie lange Sie hier sind?«
    Acland nickte.
    »Ungefähr dreißig Stunden. Sie sind in einem Krankenhaus am Stadtrand von Birmingham. Heute ist Dienstag, der 28. November. Der Anschlag ereignete sich am Freitag, und Sie sind
gestern früh hier eingeliefert worden. Im Lauf des Nachmittags wurde eine CT gemacht, und heute Morgen wurden Sie operiert. Wir mussten die Knochen Ihrer linken Wange und oberhalb Ihres linken Auges mit einer Platte stabilisieren.« Willis lächelte. »Alles in allem sind Sie ganz gut beieinander.«
    Acland hob zustimmend den Daumen, aber das Gespräch hatte ihn nicht weitergebracht. Wie konnte man acht Wochen seines Lebens einfach vergessen? Wie konnten dreißig Stunden zur Ewigkeit geworden sein? Warum hatte die Schwester gesagt, bei ihm hätten sich einige Drähte verheddert?
    Was fehlte ihm?
     
    Schwierige Tage folgten. Acland konnte bald nicht mehr sagen, wie oft er zu hören bekam, was für ein Glück er gehabt habe: dass er aus dem Fahrzeug geschleudert worden war, bevor es sich überschlug; dass die Aufständischen zu wenige gewesen waren oder zu schlecht ausgerüstet, um sich dem ausgebrannten Scimitar zu nähern und ihn zu erschießen; dass der Splitter nicht in sein Gehirn eingedrungen war; dass er wenigstens noch auf einem Auge sehen konnte; dass er durch die Explosion sein Gehör nicht ganz verloren hatte; dass er noch am Leben war …
    Aus irgendeinem Grund lag er nun in einem kleinen Seitenraum, abseits von den anderen Patienten. Acland hatte den Verdacht, dass seine Mutter dahintersteckte - sie musste ihren Kopf immer durchsetzen -, aber er beschwerte sich nicht. Wenn er schon angestarrt werden musste, dann besser noch von seinen Eltern als von jedem x-beliebigen Idioten, der auf die Station kam. Trotzdem fand er es anstrengend, dass sie ständig da waren.
    Sein Vater war am schwersten zu
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