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Der Schacht

Der Schacht

Titel: Der Schacht
Autoren: David J. Schow
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Jonathan fragte sich, ob sie ihm die Mittäterschaft daran jemals verzeihen würde.
    Amanda fand ein graues Haar, und dann noch eines. Und dann den einen oder anderen Streifen auf ihren Schenkeln. Jonathan bemerkte Krampfadern an seinen eigenen Beinen, aber er sagte nichts davon. Für Amanda tickte da eine Zeitbombe vor sich hin. Die Frage, ob sie tatsächlich einen Makel im Spiegel gefunden hatte, war danach müßig. Wenn er es bemerkte, verletzte er sie damit. Wenn er so tat, als bemerke er es nicht, fühlte sie sich vernachlässigt. Und wenn er gar nichts tat und versuchte, neutral zu bleiben, dann klagte sie ihn wortlos umso deutlicher an.
    Sie lächelte nicht mehr. Sie legte sich ein automatisches Abwehrsystem für alles zu, was Jonathan vorschlagen konnte. Sie hob Schützengräben für eine lange Belagerung aus. Das verbitterte Jonathan.
    Sex? Was für ein Albtraum.
    Und wegen all dem war Jonathans Knackarsch jetzt auf dem Weg nach Chicago, wurde Texas im Rückspiegel immer kleiner, lieferte Tangerine Dream den Soundtrack für die Autobahnfahrt und bekämpften die Pillen die Kopfschmerzen, die glühende Stangen durch seinen Schädel bohrten. Er grübelte über das Ende. Den Schmerz, den Amanda ihm mit einem Blick oder mit ihrem andauerndem Schweigen zufügen konnte.
    ›Akzeptier den Job‹, hatte sie ihm gesagt. ›Natürlich solltest du das tun. Na los, geh und amüsier dich mit Bash.‹ Jonathan meinte, den Hammer fallen zu hören. ›Du wirst es doch so oder so tun, richtig? Du kannst da wahrscheinlich etwas Geld verdienen, also warum nicht? So kommst du wenigstens von mir weg, wo ich doch so eine Furie bin.‹
    Es gab Zeiten, da drängte die bittere Gewissheit in ihrer Stimme ihn dazu, unkontrolliert zuzuschlagen. ›Na ja.‹ Er hatte mit den Achseln gezuckt, immer noch frustriert. ›Und was wird aus dir?‹
    ›Was soll schon aus mir werden? Mach dir meinetwegen nur keine Gedanken.‹ Ihr Ton sagte: Du hast es wieder mal vermasselt, du Niete. Du hättest fragen sollen, was wird aus UNS? Siehst du. Es ist dir im Grunde wirklich egal. Sie konnten so gut vorhersagen, was der andere tun würde. Warum war das nicht etwas Positives, etwas Gesundes, Verbindendes? Warum war es stattdessen eine so vernichtende Waffe?
    Chicago bot Arbeit, Chicago bot Distanz.
    Jeffrey Holdsworth Chalmers Tessier – von den New-Orleans-Tessiers – war massig und breitschultrig, mit riesigen Vorderzähnen und einem Vollbart. Seine Augen strahlten in einem weichen Goldbraun, leuchtend, durchdringend und immer damit beschäftigt, Daten in seinen mentalen Videorekorder zu speichern. Er war freiberuflicher Grafiker, redete pausenlos und war Jonathans bester Freund, seit sie sich 1977 bei einem Filmclubtreffen an der Universität das erste Mal begegnet waren. Jonathan hatte ernsthaft Architektur studiert, während Jeffrey einfach die Zeit totschlug, bis sein Stipendium auslief. Irgendwann bei all seinen Frauengeschichten und Poolbilliardspielen blieb der Name Bash an ihm hängen. Er pflegte immer noch sorgfältig seinen ausgeprägten Südstaatenakzent. Er hatte Jonathan gesagt, das mit Amanda sei eine »Schande«. Was Bash anging, so kamen die Frauen, und sie gingen auch wieder, aber da waren dann immer auch andere Frauen, und so wie das Universum in ordentlichen Bahnen weiterlief, so konnte sich Jonathan immer an Bashs großer Schulter ausweinen.
    Männerfreundschaften waren wichtig in Bashs Version unserer Welt. Und eine Kinovorstellung von The Man Who Would Be King oder von Heartbreakers mit Nick Mancuso und Peter Coyote war seine Vorstellung von Glück. In Bashs Definition vom Leben gab es keine Ehe, keine Kinder, keine Krankenversicherungen und bestimmt nicht die Gefahr, zu einem Arschgesicht zu werden. Solche Begriffe existierten da einfach nicht.
    »Mach dich da aus dem Staub. Lass dir ’ne Briefmarke auf dein rosiges Arschloch kleben, und dann sollen sie dich hierher schicken. Dann kannst du mir helfen, ’nen Teil von Capras Kohle abzuzwacken, Kleiner.« Er redete immer so. »Ich bin hier gut im Geschäft bei Rapid O’Graphics, gut genug, um meinen beträchtlichen Einfluss und meinen noch viel größeren persönlichen Charme spielen zu lassen. Gott, du hast den Job, wenn ich das sage. Betrachte es als deinen ersten Schritt auf der großen Leiter des Lebens, der Schritt von Ronald McDonald zu Dom Perignon.«
    Bash hatte sogar die Busfahrkarte aus eigener Tasche bezahlt.
    Jonathan war kein Computerverkäufer. Zumindest darin
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