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Der Schacht

Der Schacht

Titel: Der Schacht
Autoren: David J. Schow
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waren er und Amanda sich einig gewesen. Ihm gefiel die Idee, bei Rapid O’Graphics anzufangen, als Schützling von jemandem, der so groß und so laut und so polternd war wie Bash. Für den Augenblick hatte er genug von Frust und Asche.
    Es gab aber ein bestimmtes Ereignis, an das sich Jonathan erinnerte. Ein Ereignis, auf das er zeigen und sagen konnte, dies hat uns irreparabel auseinandergebracht, ein fieses und boshaftes Ereignis, das sich wie eine ätzende Chemikalie durch seine Erinnerungen fraß und die Gefühle herausbrannte.
    Der Greyhound rollte immer weiter nördlich, an einer Kleinstadt nach der anderen vorbei, auf dem Sprung über die Grenze eines neuen Staates.
    Der Kopfschmerz legte ich immer noch lähmend über Jonathans Sicht. Er schloss die Augen und verhalf sich so zu seiner privaten Nacht. Eine Träne rollte seine Wangenknochen hinunter. Er dachte noch einmal an das Schrecklichste, das er Amanda angetan hatte, der Frau, die er immer noch liebte.

3.
    Cruz schaffte es gerade noch zum Geländer, um zu sehen, wie Chiquita eines der Sonnenschirmtischchen zertrümmerte, Gesicht voran, fünf Stockwerke tiefer. Sie landete gut drei Meter neben dem Pool. Bis zu dem Augenblick, in dem er sah, wie sich ihr Gehirn über die Sonnenterrasse verteilte, hätte er geschworen, sie hätte gar keines.
    Solange er lebte, würde Cruz sie noch Tausende Male fallen sehen. In seinen Ohren knackte es fortwährend, und er hatte Kopfschmerzen.
    Über das Kabinenmikro verkündete Flugkapitän Falstaff von der Eastern Airlines den Passagieren der 737, dass sie sich einigen Turbulenzen näherten. Es wäre angeraten, sich anzuschnallen.
    Cruz umklammerte seine Armlehnen. Eine von ihnen gab nach. Er starrte auf die Tragfläche hinaus und fragte sich, was die doppelten Plastikscheiben von außen zerkratzen konnte. Pfiff der Wind wirklich so gnadenlos in 10.000 Meter Höhe? Er dachte an fette Gremlins, die auf den Tragflächenenden mitflogen und sich als extraterrestrische Vandalen betätigten.
    Er besorgte sich ein Kissen, schluckte Aspirin und wunderte sich darüber, dass gerade mal sechs Stunden zuvor sein Leben noch gottverdammt ruhig verlaufen war. Er versuchte, nicht an das Sterben zu denken, aber das war verlorene Liebesmüh. Schließlich waren da die letzten sechs Stunden und Rosies Party …
    Cruz sah in Gedanken immer noch, wie Chiquita fiel. Über das Geländer und abwärts, mit einem vollen Überschlag und platsch auf die Kante des Hotelpools.
    Rosie humpelte mit seinem Holzbein durch das Appartement, während die ganzen Partyleichen noch versuchten, sich darüber klar zu werden, was eigentlich passiert war. Bis auf Chiquita natürlich. Cruz hing so weit über dem Geländer, dass er beinahe das Gleichgewicht verloren hätte. Sein Mund stand sperrangelweit offen, und ein einzelner schneeweißer Speicheltropfen löste sich von seiner Lippe und tropfte hinunter. Die gleiche Flugbahn, die Chiquita vorher genommen hatte. Diese Party hatte es wirklich in sich.
    »Zurück von dem Geländer, Cruz, komm da weg!« Dieser Rosie war ein Paradebeispiel dafür, wie man in der Scheiße die Ruhe behält. Er war dazu da, um Emilio die Probleme vom Hals zu schaffen. Er schnappte sich eine Handvoll von Cruz wehendem Hawaiihemd und zog ihn von dem Balkon in das einzige freie Schlafzimmer der Präsidentensuite. Eine ganze Menge Koks war auf Cruz Oberlippe und seiner rechten Wange verschmiert. Er sah aus wie ein Halbstarker in einem billigen Weihnachtsmannkostüm, dem jemand eine harte Ohrfeige verpasst hatte. Er hatte den ganzen Tag gesoffen und geschnieft. Aber jetzt glommen seine Augen durch einen stärkeren und dauerhafteren Kick, und er war high davon. Er trottete schwankend hinter Rosie her, der ihn führte.
    »Yeehaw!«, rief jemand. »RAWWWWhide!«
    Die beiden anderen Schlafzimmer der Suite waren geräuschvoll okkupiert: fünf in dem einem, drei in dem anderen, alle verschwitzt, higher als Helium und am Rammeln wie die Karnickel. Sieben andere weggetretene Junkies starrten immer noch auf die x-te Wiederholung von Star Wars, die über den Breitwand-Bildschirm flimmerte. Die meisten von ihnen hatten Chiquita bei ihrem durchgeknallten Strip angefeuert. Der Clou der Vorstellung war der Sprung gewesen. Die meisten der Hohlköpfe hatten gelacht. Mittlerweile hatte bestimmt die Hälfte von ihnen vergessen, dass es Chiquita überhaupt gegeben hatte.
    Dieses glänzende schwarze Haar, dachte Cruz. Die Ohrringe mit den Federn. Emilio hatte den
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