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Der Ruf der Wollust: Roman (German Edition)

Der Ruf der Wollust: Roman (German Edition)

Titel: Der Ruf der Wollust: Roman (German Edition)
Autoren: Susan Squires
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wirst schon sehen.« Da lag ein Ausdruck in seinen Augen, den sie nicht deuten konnte; und sie meinte, schon jeden erdenklichen Ausdruck gesehen zu haben.
    Sie lächelte. »Danke, Stephan. Du bist immer noch weise.« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf die Wange.
    Und dann drehte sie sich um und ging zu John.
    John sah Beatrix entgegen, während sie auf ihn zukam. Sincai folgte ihr langsam. Was hatte er gesehen? Wie scharf sein Gehör auch war, er hatte ihre Worte dennoch nicht verstehen können. Die immense Leere der Kathedrale schien sie zu verschlingen. Beatrix lächelte. Sie glühte geradezu, auch wenn sie unglaublich blass war. Sie sah aus wie eine Braut, die gerade ihr Ehegelübde gesprochen hatte. Sein Herz zog sich zusammen.
    »Ich nehme an, Sie sind jetzt bereit, wieder Ihre Verantwortung zu tragen, Sincai, oder muss ich noch länger das Kindermädchen für Sie spielen?«, ertönte Khalenbergs heisere Stimme hinter John.
    »Das bin ich«, erwiderte Sincai, auf dessen Gesicht ein sehr seltsamer Ausdruck lag, wie John ihn noch nie gesehen hatte. Bedauern, Mut, unglaublicher Wille – alles vermischt zu einer komplexen Einheit. Wie anders als die Leere, die John zuerst in seinen Augen gesehen hatte. Bedauerte er es, Beatrix verlassen zu müssen, um seine Pflicht zu erfüllen? Natürlich. Aber waren sie übereingekommen, zueinander zurückzukehren? Beatrix’ Miene verriet, dass sie erfüllt war. Sie wirkte … sicher.
    »Was ist mit Ihrer anderen Verpflichtung?« Khalenberg wies mit dem Kopf in Johns Richtung.
    Sincai heftete seine alten Augen auf John. »Langley liegt nicht in meiner Verantwortung, sondern in der von Bea. Sie wird über sein Schicksal entscheiden.«
    Khalenberg hob die Hände. »Zu weich! Ihr alle seid zu weich.«
    Sincai ging zu Asharti und legte seinen Arm wie eine eiserne Klammer um ihre Schultern. Schwärze begann sich um sie zu bilden. »Beseitigen Sie ihre Hinterlassenschaften, Khalenberg.«
    Khalenberg presste die Lippen zusammen; sein Missfallen über die Tatsache, dass Beatrix John ganz offensichtlich nicht töten würde, stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Er nickte Sincai knapp zu. »Das Blut ist das Leben.«
    »Das Blut ist das Leben«, wiederholte Sincai aus dem schwarzen Wirbel heraus, der ihn und Asharti jetzt ganz umschloss.
    »Neeeiiiin«, klagte Asharti. »Ich will nicht ins Exil.« Aber das Echo, das die Steinmauern in der dunklen Gewaltigkeit der Kathedrale zurückwarfen, war das Einzige, was von ihr zurückblieb.
    Khalenberg nickte John knapp zu. »Ich werde Sie im Auge behalten.« Schwärze wallte um ihn herum auf, und er war fort.
    John starrte Beatrix an, die barfuß und in ihrem Hemd in der höhlengleichen Dunkelheit der Kirche stand. Ihre blasse Haut leuchtete. Ihr kastanienbraunes Haar erinnerte ihn an glühende Kohlen. Es stand ihr leicht zersaust vom Kopf ab, wie der Heiligenschein auf dem Bild, das Sincai während all der Jahrhunderte aufbewahrt hatte. Sie starrte ihn aus großen dunklen Augen an, so verletzlich, so unsicher. Die Hülle der erfahrenen Kurtisane war zerbrochen, und was geblieben war, war eine Frau, die den Mut gehabt hatte, ihre und seine Erzfeindin freizulassen, die dem Tod auf Haaresbreite nahe gewesen war, auch wenn der Tod ihr fremd und nicht ihr Schicksal war. Eine Frau, die ihre erste Liebe ein zweites Mal aus ihrem Leben hatte fortgehen sehen, in einem Wirbel aus Schwärze. Sie musste verzweifelt über die Trennung sein, auch wenn sie nur vorübergehend war. Aber … sie sah so sicher aus. Sie war jetzt stark, durch Sincais Liebe.
    Seine Eingeweide zogen sich zusammen. Er musste jetzt irgendetwas sagen. Er suchte nach Worten und machte eine gleichmütiges Gesicht. »Ich … ich nehme an, es sind Glückwünsche angebracht? Es muss schwer für dich sein, dich von ihm zu trennen, nachdem ihr euch gerade erst wiedergefunden habt.«
    Plötzlich war all ihre Sicherheit verflogen. Sie sah ihn prüfend an, so, wie ein Wahrsager in alten Zeiten die Leber eines Schafes betrachtet haben musste. Für einen langen Moment sagte sie nichts. Dann befeuchtete sie die Lippen und holte tief Luft. »Sie hat gesagt, sie hätte dich wieder in ihrer Gewalt, weißt du«, sagte sie leise. »Sie hat mir endlose Geschichten darüber erzählt, was sie mit dir getan hat. Ich dachte, ich würde den Verstand verlieren.«
    Johns Herz machte einen Hopser. Auch er befeuchtete sich die Lippen. Er nahm all seinen Mut zusammen und konnte es dann
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