Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ruf der Pferde

Der Ruf der Pferde

Titel: Der Ruf der Pferde
Autoren: Jutta Beyrichen
Vom Netzwerk:
so herunterhingen. Was war passiert? War Patricia von einem Tier angefallen worden?
    Ethan merkte, wie ihm eiskalt wurde. Mit zitternden Händen leuchtete er mit seiner Lampe die Umgebung ab, voller Angst, Blutflecken zu finden. Doch so angestrengt er auch suchte, er fand nichts.
    Laird saß mit hängenden Ohren neben ihm. Er schien zu spüren, dass Ethan besorgt war, und seine feuchten brauen Augen schauten regelrecht kummervoll drein. Er senkte den Kopf, schob sich behutsam näher zu Ethan heran und stieß leicht mit der Nase an seine Hand.
    Ethan hörte das leise Winseln und begriff. »Oh Laird, es tut mir leid.« Voll Reue beugte er sich zu dem Hund hinunter, legte ihm seine Arme um den Hals und liebkoste ihn ausgiebig. »Du denkst bestimmt, ich bin nicht zufrieden mit dir, oder? Aber nein, du hast deine Sache großartig gemacht. Morgen finden wir sie, das schwöre ich dir!«
    Der Hund wedelte voll Erleichterung mit dem Schwanz und versuchte, Ethan übers Gesicht zu lecken.
    Doch der Junge war mit seinen Gedanken schon wieder woanders. Er rieb sich fröstelnd über die Arme und starrte gedankenverloren in den Himmel. Die dichten Wolken verdeckten Mond und Sterne. Der Wind pfiff aus Osten. Und Patricia hatte mit Sicherheit nichts dabei, was sie vor der Kälte schützen würde.
    Patricia blinzelte. Doch um sie herum blieb es düster. Sie rieb sich die Augen und versuchte, den pochenden Schmerz, der sich inzwischen ihres ganzen Körpers bemächtigt hatte, zu ignorieren. Es dauerte eine Weile, bis sie wieder wusste, wo sie war. Die Sonne war bereits vollständig untergegangen und in der Dämmerung war die Senke unter ihr kaum noch zu erkennen.
    Stöhnend versuchte sie, sich aufzurichten, doch während sie bewusstlos gewesen war, musste sich etwas auf ihre Brust gelegt haben, etwas Großes, Schweres, das sie auf den Boden zurückdrückte. Was war das nur? Versuchsweise bewegte Patricia ihren Arm, doch auch er erschien ihr plötzlich bleischwer. Lass mich los, dachte sie. Was immer du bist, lass mich los. Sie ließ den Kopf erschöpft ins harte, stachelige Gras zurücksinken und atmete flach.
    Vielleicht kann ich es überlisten, dachte sie irgendwann und fast musste sie kichern, dass ihr so ein kluger Gedanke gekommen war. Vielleicht kann ich mich einfach unter ihm wegrollen?
    Und tatsächlich – als sie sich mühselig zur Seite drehte, ließ der Widerstand plötzlich nach. Ich habe es geschafft, dachte Patricia, doch dann rollte sie schneller und schneller und mit einem Mal wurde ihr bewusst, dass sie den Hügel hinabstürzte. Ihr Kopf schlug auf irgendetwas auf, ihr Arm schrammte über einen Felsen. Doch Patricia spürte keinen Schmerz – nicht mehr. Endlich kam sie zum Stillstand.
    Aber da war er wieder – dieser Druck auf ihrer Brust, der ihr die Luft zum Atmen nahm. Tränen der Hilflosigkeit liefen über ihr Gesicht und sie schloss die Augen. Bitte, kann das nicht aufhören?, dachte sie verzweifelt. Doch der Druck ließ nicht nach und wieder wurde ihr schwarz vor Augen.
    Irgendwann – es musste schon viel später sein – erwachte sie abermals. Das Gefühl, dass ihre Brust zusammengepresst wurde, war noch stärker geworden. Und plötzlich wusste sie, was es war. Seit sie zusammen im Kindergarten gewesen waren, wusste Gavin, dass nichts Patricia mehr auf die Palme bringen konnte, als wenn man sie so festhielt, dass sie sich überhaupt nicht mehr rühren konnte.
    »Gavin, lass mich sofort los!«, krächzte sie. »Vergiss es – du kriegst meine neue Spritzpistole nicht, selbst wenn du mich stundenlang in den Schwitzkasten nimmst.«
    Gavin grinste sie frech an. »Wollen wir wetten? Um ein Eis?«
    Irgendetwas kitzelte Patricia im Gesicht. »Für ein Eis ist mir viel zu kalt«, antwortete sie. Und tatsächlich, es stimmte. Ihr war eiskalt, viel kälter, als ihr jemals zuvor gewesen war.
    »Keine Angst«, sagte Gavin und breitete eine Decke über sie aus. »Dir wird bald warm sein.« Und Patricia wusste, dass sie beruhigt einschlafen konnte.
    Die Sonne war noch nicht aufgegangen, als Ethan sich bereits wieder in den Sattel schwang. Er hatte die Nacht über kein Auge zugetan aus Sorge um Patricia und in den frühen Morgenstunden hatte er es nicht mehr ausgehalten.
    Er musste sie heute finden, schwor er sich, als er Sonny antrieb. Der Wallach gehorchte aufmerksam seinen drängenden Hilfen und selbst Boomer und Laird schienen zu spüren, dass irgendetwas auf dem Spiel stand. Der Hund raste voraus – die Nase dicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher